Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Rücknahme bzw Aufhebung eines Verwaltungsakts. Überprüfung der Bestimmtheit des Verwaltungsakts. Berücksichtigung des Teilabhilfe- bzw Widerspruchsbescheides neben dem Ursprungsbescheid. Einhaltung der Jahresfrist nur durch ursprünglichen unbestimmten Aufhebungs- bzw Rücknahmebescheid

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Prüfung, ob ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 SGB X ist, ist nicht allein auf den Ausgangsbescheid abzustellen, sondern auch auf den hierzu ergangenen Teilabhilfe- bzw Widerspruchsbescheid.

2. Die Jahresfrist nach § 48 Abs 4 S 1 iVm § 45 Abs 4 S 2 SGB X gilt nur für den Ausgangsbescheid, nicht auch für den diesen teilweise abändernden Teilabhilfe- oder Widerspruchsbescheid.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 08.12.2020; Aktenzeichen B 4 AS 46/20 R)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 13. Februar 2018 wird aufgehoben.

Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 14. März 2013 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 18. Juli 2014 sowie des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2015 wird abgewiesen.

Kosten sind für das erst- und zweitinstanzliche Gerichtsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die teilweise Aufhebung der dem Kläger für die Zeit vom 1. September 2012 bis 31. März 2013 gewährten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) sowie um eine vom Beklagten insoweit geltend gemachte Erstattungsforderung iHv 1.894,13 Euro.

Der 1992 geborene Kläger stand im streitbefangenen Zeitraum gemeinsam mit seinem Vater im laufenden Bezug von SGB II-Leistungen während seine Mutter Leistungen nach dem SGB XII bezog. Die Leistungsbewilligung für den Kläger und seinen Vater erfolgte für den Monat September 2012 auf der Grundlage des Bewilligungsbescheides vom 16. Februar 2012 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 13. September 2012. Für die Zeit ab Oktober 2012 erließ der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 13. September 2012 sowie den Dynamisierungsbescheid vom 24. November 2012 (Umsetzung der gesetzlichen Erhöhung der Regelbedarfe nach § 20 SGB II mit Wirkung ab 1. Januar 2013). Erwerbseinkommen des Klägers wurde bei diesen Leistungsbewilligungen nicht berücksichtigt. Insoweit hatte der Vater des Klägers in seinem auch mit Wirkung für den Kläger gestellten Antrag vom 14. August 2012 über Kindergeld hinausgehendes Einkommen (auch Arbeitsentgelt) ausdrücklich verneint. Für die im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Monate erhielt der Kläger aufgrund der og Bescheide folgende SGB II-Leistungen:

September 2012:

333,41 Euro

Oktober 2012:

285,62 Euro

November und Dezember 2012:

340,41 Euro pro Monat

Januar bis März 2013:

347,41 Euro pro Monat

Auf eine Aufforderung zur Mitwirkung vom 5. März 2013 legte der Kläger am 12. März 2013 Verdienstabrechnungen seiner im August 2012 begonnenen Berufsausbildung zum Einzelhandelskaufmann für die Monate August 2012 bis Februar 2013 vor. Die Ausbildungsvergütung, die jeweils im Folgemonat ausgezahlt wurde, betrug zwischen 550,00 und 576,64 Euro brutto = 437,39 bis 458,58 Euro netto pro Monat (vgl im Einzelnen: Bl 766ff der Verwaltungsakte - VA -). Von den Nettobeträgen wurden zusätzlich monatlich 12,78 Euro für Berufskleidung abgezogen.

Aufgrund dieser erst nachträglich bekannt gewordenen Ausbildungsvergütung hob der Beklagte ohne vorherige Anhörung die Leistungsgewährung für die Monate September 2012 bis März 2013 in Höhe eines Teilbetrags von 2.233,58 Euro auf (davon Regelleistung: 1.344,56 Euro; Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung - KdUH -: 889,02 Euro) und forderte vom Kläger die Erstattung dieses Betrags. Eine weitere Aufgliederung des Aufhebungs- und Erstattungsbetrags, insbesondere hinsichtlich der einzelnen Monate des Aufhebungszeitraums erfolgte nicht (vgl im Einzelnen: Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. März 2013).

Auf den vom Kläger am 19. April 2013 eingelegten Widerspruch berücksichtigte der Beklagte weitere Freibeträge vom Einkommen (Kfz-Haftpflichtversicherung, Fahrtkosten sowie Aufwendungen für Arbeitskleidung) und erhöhte die dem Kläger gewährten Leistungen entsprechend (vgl im Einzelnen: Änderungsbescheide vom 7. Oktober 2013 und 17. Juli 2014 - jeweils für die Monate Januar bis März 2013).

Im weiteren Zeitablauf erließ der Beklagte unter dem 18. Juli 2014 einen „Änderungsbescheid zum Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. März 2014“, mit dem er den Aufhebungs- und Erstattungsbetrag auf 1.894,13 Euro reduzierte. Dieser Bescheid enthielt erstmals eine Zuordnung des Erstattungsbetrags zu den einzelnen von der Teilaufhebung betroffenen Monaten und zwar jeweils unter Angabe des monatlichen Gesamtbetrags sowie der monatlich auf die Regelbedarfsleistungen bzw die KdUH-Leistungen entfallenden Teilbeträge. Zur Begründung verwies der Beklagte wiederum auf die erst nachträglich bekannt gewordene Ausbildungsvergütung. Diese sei gemäß ...

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