Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Darlehen unter Freunden. Anforderungen an den Nachweis des Darlehensvertrages

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch für den Nachweis eines nach einem Geldzufluss behaupteten Darlehensvertrages unter Freunden gelten Mindestanforderungen, um eine Darlehensgewährung von einer Schenkung oder einer ggf auch freiwilligen Unterhaltsgewährung abzugrenzen. Dem Hilfebedürftigen obliegen insoweit Mitwirkungspflichten bei der Aufklärung; die Nichterweislichkeit der Tatsachen geht zu seinen Lasten.

2. Die Ausgestaltung und die Durchführung eines Darlehensvertrages unter Freunden muss nicht in jedem Punkt dem zwischen Fremden - insbesondere mit einem Kreditinstitut - Üblichen entsprechen. Die Vereinbarung zumindest einzelner der im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten (zB Schriftform, Zinsabrede oder Gestellung von Sicherheiten, vgl hierzu § 488 BGB) ist jedoch im Regelfall erforderlich; diese Abreden sind ein Indiz für eine tatsächlich bestehende Darlehensabrede. Gegen einen tatsächlich zur Durchführung bestimmten Darlehensvertrag spricht hingegen, wenn Vereinbarungen (insbesondere zur Darlehenshöhe sowie zu den Rückzahlungsmodalitäten) oder der Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht hinreichend belegt werden können oder ein plausibler Grund für den Abschluss des Darlehensvertrages nicht genannt werden kann.

 

Normenkette

SGB X § 48 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1, 4, § 24 Abs. 1, § 33 Abs. 1, § 50 Abs. 1 S. 1; SGB II § 40 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 4 Sätze 1-2, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, §§ 9, 11 Abs. 1, 2 Fassung: 2006-07-20, § 38 Abs. 1 S. 1; SGB III § 330 Abs. 3 S. 1; BGB §§ 278, 488, 1626, 1629 Abs. 1 Sätze 1, 3, § 1629a

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 15. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen des Beklagten über Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum von September bis Dezember 2010.

Der 1983 geborene Kläger zu 1., seine 1983 geborene Ehefrau, die Klägerin zu 2., sowie deren 2007 und 2009 geborene Kinder, die Kläger zu 3. und 4., bezogen vom Beklagten langjährig Leistungen nach dem SGB II. Der Kläger zu 1. ist libanesischer, die Klägerin zu 2. türkischer Nationalität, jeweils in Besitz von Aufenthaltstiteln, die Kläger zu 3. und 4. sind deutsche Staatsangehörige. Die Klägerin zu 2. war im streitgegenständlichen Zeitraum erwerbstätig, für die Kläger zu 3. und 4. wurde jeweils Kindergeld ausgezahlt.

Aufgrund ihres Weiterbewilligungsantrages vom 14. Juni 2010 wurden den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von August 2010 bis Januar 2011 bewilligt (endgültiger Bewilligungsbescheid vom 30. Juni 2010 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 3. August und 22. Oktober 2010 sowie 7. Januar und 7. Februar 2011).

Zwischen dem 20. September 2010 und dem 6. Februar 2011 transferierten fünf Absender aus Bahrain, Libyen und den Vereinigten Arabischen Emiraten in 39 Teilbeträgen insgesamt über 117.000,- Euro nach Deutschland, die von sieben verschiedenen, miteinander verwandten, verschwägerten oder bekannten Personen in Empfang genommen wurden, darunter knapp 58.000,- Euro unmittelbar von den Klägern zu 1. und 2. Der Kläger zu 1. war beim Geldempfang durch Dritte stets zugegen und erhielt das Geld jeweils von diesen ausgehändigt. Hiervon erlangte die Staatsanwaltschaft J. im März 2011 Kenntnis und leitete ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche ein. Im Rahmen dieses Verfahrens gab der Kläger zu 1. an, er habe im Wesentlichen aufgrund der Anschaffung eines Autos bzw. dessen notwendiger Reparatur sowie der Hochzeit mit seiner Frau Darlehensverbindlichkeiten in Deutschland in Höhe von 15.000,- Euro, die er habe zurückzahlen müssen. Zudem sei er mit seiner Frau in der Türkei gewesen, was 4.500,- bis 5.000,- Euro gekostet habe. 15.000,- Euro seien an seinen Bruder gegangen, der diese für sein Juweliergeschäft und für Schulden beim Finanzamt verwendet habe. 12.000,- Euro habe der Vater des Klägers zu 1. erhalten, um außerhalb seiner ca. 2007 eingetretenen Insolvenz bestehende Schulden begleichen zu können. Weitere 60.000,- Euro habe der Vater erhalten, um Schulden aus der Insolvenz mehrerer Einzelunternehmen zu begleichen. Beide Elternteile des Klägers zu 1. hätten weitere 10.000,- Euro erhalten und sich hiervon ein Auto und eine neue Wohnungseinrichtung gekauft. Das Geld stamme im Wesentlichen von zwei Personen aus Bahrain, die einen Vogelhandel mit Hühnern, Tauben und Sittichen betrieben. Diese veranstalteten auch Hahnenkämpfe in mehreren Ländern und verdienten damit viel Geld. Der Kläger zu 1. habe einen der beiden 2006 in der Türkei kennengelernt und man habe sich angefreundet. Das Geld habe man als Darlehen erhalten. Für die Tilgung würden die Eltern, sein Bruder und die Kläger zu 1. und 2. monatlich jeweils 100,- Euro sparen....

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