Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückwirkende Insolvenzgeldbewilligung. Erstattungsanspruch des Grundsicherungsträgers gegen die BA gem §§ 102 ff SGB 10. Erfüllungsfiktion. Sozialleistungseigenschaft des Insolvenzgeldes

 

Orientierungssatz

Gewährt ein Grundsicherungsträger für einen Zeitraum Leistungen nach SGB 2, für den später von der Bundesagentur für Arbeit (BA) rückwirkend Insolvenzgeld nach § 183 SGB 3 bewilligt wird, und macht er einen Erstattungsanspruch gem §§ 102 ff SGB 10 gegenüber der BA geltend, so gilt der Anspruch auf Insolvenzgeld gem § 107 Abs 1 SGB 10 in Höhe der gewährten Grundsicherungsleistungen als erfüllt. An den Leistungsberechtigten ist nur noch der Differenzbetrag auszuzahlen. Insofern kommt es nicht darauf an, dass bei rechtzeitiger Auszahlung des Insolvenzgeldes und Anrechung als Einkommen unter Berücksichtigung des Zuflussprinzips und Absetzung von Freibeträgen gem § 11 SGB 2 dem Leistungsberechtigten höhere Beträge des Insolvenzgeldes zur Verfügung gestanden hätten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.05.2011; Aktenzeichen B 11 AL 24/10 R)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 02. September 2009 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtlichen Kosten des Klägers sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beigeladene wendet sich gegen die Verurteilung der Beklagten, an den Kläger Leistungen in Höhe von 598,35 Euro zu zahlen.

Durch Bescheid vom 03. November 2005 bewilligte die Beigeladene dem im Jahr 1960 geborenen Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) mit Wirkung ab 14. bis 28. Februar 2005 in Höhe von 308,10 Euro und mit Wirkung ab 01. März bis 31. Juli 2005 in Höhe von 944,19 Euro monatlich.

Ab 25. Mai 2005 nahm der Kläger eine Beschäftigung als Trockenbaumonteur auf. Das Arbeitsverhältnis kündigte er fristlos außerordentlich am 06. Juni 2005. Der Kläger war zuletzt am 03. Juni 2005 bei dem ehemaligen Arbeitgeber beschäftigt. Arbeitsentgelt bezog der Kläger nicht.

Als der Kläger von der Insolvenz der ehemaligen Arbeitgeberfirma erfuhr, beantragte er unter dem 16. Juni 2005 bei der Beklagten Insolvenzgeld. Durch Bescheid vom 24. Januar 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 25. Mai 2005 bis 03. Juni 2005 Insolvenzgeld in Höhe von insgesamt 823,26 Euro. Die Beklagte teilte dem Kläger in dem Bescheid mit, dass sie von diesem Betrag 598,35 Euro an die Beigeladene auszahle und damit einen Erstattungsanspruch gemäß § 104 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erfülle. 224,91 Euro zahle sie an den Kläger aus.

Mit seinem Widerspruch vom 26. Januar 2006 wandte sich der Kläger insbesondere gegen die Höhe der an die Beigeladene abgeführten Insolvenzgeldleistungen. Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 06. Februar 2006 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 16. Februar 2006 Klage erhoben. Das Sozialgericht (SG) Braunschweig hat die Beklagte unter Änderung des angefochtenen Bescheids verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 598,35 Euro auszuzahlen (Urteil vom 02. September 2009). Ein Erstattungsanspruch der Beigeladenen habe nicht bestanden. Das Insolvenzgeld trete in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht an die Stelle des Arbeitsentgeltanspruchs. Das bedeute, dass das erst im Januar 2006 bewilligte und ausgezahlte Insolvenzgeld nicht auf die dem Kläger im Mai beziehungsweise Juni 2005 ausgezahlten Leistungen nach dem SGB II als Einkommen anzurechnen sei. Einkommen sei auf Leistungen nach dem SGB II entsprechend dem sogenannten Zuflussprinzip für den Monat anzurechnen, in dem es zugeflossen sei. Für das an die Stelle des Arbeitsentgelts tretende Insolvenzgeld könne daher nichts anderes gelten. Daher wäre nur im Januar 2006 eine Anrechnung in Betracht gekommen. Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger jedoch keine Leistungen mehr von der Beigeladenen bezogen.

Hiergegen hat die Beigeladene am 12. Oktober 2009 die vom Sozialgericht zugelassene Berufung eingelegt. Das Bundessozialgericht (BSG) habe ausdrücklich festgestellt, dass es sich bei dem Insolvenzgeld um eine Sozialleistung handele. Das bedeute, dass insoweit die Regelungen der §§ 102 ff SGB X anzuwenden seien mit der Folge, dass nach § 107 Abs. 1 SGB X der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte als erfüllt gelte, soweit diese gegenüber der Beigeladenen erstattungspflichtig sei. Die Erstattungspflicht nach §§ 102 ff SGB X trete bereits mit der Entstehung des Anspruchs auf Insolvenzgeld und der Leistung durch die Beigeladene und damit zeitlich vor dem Zufluss des Insolvenzgeldes an den Kläger ein. Das bedeute, dass sich der Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld gegen die Beklagte mit dem Erhalt der Leistungen nach dem SGB II verringere. Zum Zeitpunkt der Auszahlung des Insolvenzgelds im Januar 2006 habe ihm daher nur ein Anspruch auf Insolvenzgeld in der noch nicht durch das Arbeitslosengeld II erfüllten Höhe zugestanden.

Die Beigeladene beantragt schriftsätzlich,

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