nicht rechtskräftig

 

Verfahrensgang

SG Hannover (Entscheidung vom 16.01.2002; Aktenzeichen S 2 KR 827/01)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.05.2005; Aktenzeichen B 1 KR 25/03 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung des Arzneimittels Viagra.

Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er ist von der Zuzahlungspflicht be-freit. Er leidet an Diabetes mellitus und in Folge daran an einer organisch fixierten erek-tilen Dysfunktion. Die Beklagte gewährt ihm seit Jahren eine diesbezügliche Behandlung mit der Schwellkörper-Autoinjektions-Therapie mit Caverject, sog. SKAT.

Am 8. Dezember 1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Vi-agra. Mit Bescheiden vom 21. Januar und 30. August 2000 lehnte die Beklagte den An-trag ab und verwies den Kläger auf SKAT. Der zur Vertragsarztpraxis zugelassene Arzt für Urologie Dr. B. verordnete dem Kläger erstmals am 30. August 2000 Viagra, das sich der Kläger am 4. September 2000 in der Spitzweg-Apotheke, Hannover, auf eigene Kosten (107,60 DM) beschaffte. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2001 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 6. Februar 2001 Klage vor dem Sozialgericht Hannover (SG) erhoben. Mit Urteil vom 16. Januar 2002 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 30. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2001 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Kosten des seit August 2000 selbstbe-schafften Arzneimittels Viagra zu erstatten und diese Kosten in Zukunft zu übernehmen. Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V) habe der Kläger Anspruch auf Gewährung von Viagra. Die erektile Dysfunktion sei eine Krankheit und Viagra hierfür das geeignete und notwendige Behandlungsmittel. Denn die Einnahme von Viagra sei weniger aufwendig als SKAT. Nr. 17.1f der Arzneimittelrichtli-nien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (Bundesausschuss) stehe dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Der Bundesausschuss sei nicht ermächtigt, bestimmte Krankheiten oder Krankheitssymptome aus der gesetzlichen Krankenversi-cherung auszuschließen. Soweit sich der Kläger Viagra bereits auf eigene Kosten selbst beschafft habe, stehe ihm nach § 13 Abs. 3 Alternative 2 SGB V ein Kostenerstattungs-anspruch gegen die Beklagte zu.

Gegen das ihr am 5. Februar 2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19. Februar 2002 Berufung eingelegt: Sie hat zur Begründung u.a. ausgeführt, es bedürfe stets einer Einzelfallprüfung, ob bei erektiler Dysfunktion die Verordnung von Viagra notwendig sei. Zur Klärung dieser Frage habe sie - die Beklagte - sich an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) gewandt. Der MDK habe in seiner Stellungnahme vom 25. März 2002 im Einzelnen dargelegt, dass eine Erektionspumpe als Hilfsmittel wirtschaftli-cher sei als die Verordnung des Medikaments Viagra.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 16. Januar 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat einen Befundbericht eingeholt von dem Facharzt für Urologie C. vom 6. Oktober 2002. Ferner hat der Senat im Parallelverfahren L 4 KR 216/01 folgende Unter-lagen vom Bundesausschuss beigezogen und in das vorliegende Verfahren eingeführt: den Beschluss vom 3. August 1998 nebst Begründung, die Presseerklärung zu Viagra vom 3. August 1998 und das Protokoll der Sitzung, in der der Bundesausschuss über den Ausschluss von Viagra entschieden hat, sowie eine Auskunft vom 21. Oktober 2002. Der Senat hat schließlich das vom Sozialgericht Lüneburg in einem Parallelverfahren erstattete Gutachten des Chefarztes der Urologischen Klinik des Allgemeinen Kranken-hauses Celle Prof. Dr. D. vom 15. Januar 2003 in den vorliegenden Rechtsstreit einge-führt.

Die Verwaltungsakten der Beklagten haben mit den Prozessakten des ersten und zwei-ten Rechtszuges vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewe-sen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vortrages der Beteiligten wird auf diese Akten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist jedoch unbegründet sowohl hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruches als auch hinsichtlich des Anspruches auf Gewährung von Viagra als Sachleistung für die Zukunft.

Der Kostenerstattungsanspruch für das am 4. September 2000 vom Kläger selbstbe-schaffte Arzneimittel Viagra in Höhe von 107,60 DM folgt aus § 13 Abs. 3 SGB V alter Fassung (heute: § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V).

§ 13 Abs. 3 SGB V in der hier anzuwendenden alten Fassung bestimmt: Konnte eine Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen (Alternative 1) oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt (Alternative 2) und sind dadurch Versi-cherten Kosten für die selbstbes...

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