nicht rechtskräftig

 

Verfahrensgang

SG Osnabrück (Entscheidung vom 15.08.2002; Aktenzeichen S 3 KR 66/01)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Beru-fungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung von Viagra.

Der im Jahre 1941 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er ist aus-weislich des Befundberichtes seines behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. C. vom 17. Mai 2002 multimorbid. Er leidet u.a. seit 1990 an Diabetes mellitus mit schwe-rer Stoffwechselentgleisung und schweren Risikofaktoren. Seit 1995 besteht infolgedes-sen eine erektile Dysfunktion auf dem Boden einer autonomen Neuropathie. Seit etwa 1999 verordnete Dr. C. dem Kläger wiederholt Viagra, das dieser sich am 5. Oktober 1999 und am 14. August 2000 zu einem Preis von jeweils 107,60 DM selbst beschaffte.

In der Folgezeit verabreichte Dr. C. dem Kläger das Arzneimittel Viagra wiederholt kos-tenfrei durch entsprechende Arzneimittelmuster. Am 31. Oktober 2002 und am 7. Febru-ar 2003 verordnete Dr. C. erneut Viagra, das sich der Kläger zu einem Preis von jeweils 55,01 Euro selbst beschaffte (am 31. Oktober 2002 in der Hirsch-Apotheke und am 21. Februar 2003 in der Adler-Apotheke in D.). Nach Angaben der Beklagten hat der Kläger diesbezüglich noch keinen Antrag auf Kostenerstattung gestellt.

Mit Schreiben vom 31. Juli 2000 beantragte der Kläger erstmals schriftlich bei der Be-klagten die Gewährung von Viagra. Mit Bescheiden vom 17. August und 15. November 2000 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Das Bundessozialgericht (BSG) habe entschie-den, dass von den gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für die Schwellkörper-Autoinjektionstherapie - Mittel: Caverject und Viridal - zu übernehmen seien. Eine Über-tragung der BSG-Rechtsprechung auf Viagra könne nicht erfolgen. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12. März 2001).

Der Kläger hat am 11 April 2001 Klage vor dem Sozialgericht Osnabrück (SG) erhoben. Mit Urteil vom 15. August 2002 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 15. No-vember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2001 (richtig: 12. März 2001) aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Kosten für das Arz-neimittel Viagra zu übernehmen. Nach der Rechtsprechung des BSG handele es sich bei der erektilen Dysfunktion um eine Krankheit im Sinne des § 27 Fünftes Sozialgesetz-buch (SGB V), wenn sie wie im vorliegenden Fall nicht altersbedingt sei und auf Diabetes mellitus beruhe. Der Ausschluss für Mittel der erektilen Dysfunktion durch den Bundes-ausschuss der Ärzte und Krankenkassen (Bundesausschuss) sei nicht durch die Er-mächtigung des § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V gedeckt. Dem Kläger gehe es mit der Klage im Wesentlichen um die Kostenübernahme für das Arzneimittel Viagra durch die Beklagte für die Zukunft. Soweit zwei Verordnungen aus der Vergangenheit streitig sei-en, lägen ausnahmsweise die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung des § 13 Abs. 3 SGB V vor. Es sei allgemein bekannt gewesen, dass eine Kostenerstattung für Viagra in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sein sollte, so dass das Fehlen einer vorherigen Antragstellung unschädlich erscheine.

Gegen das ihr am 26. August 2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12. September 2002 Berufung eingelegt und insbesondere ausgeführt: Das SG habe unberücksichtigt gelassen, dass die Einnahme von Viagra Gesundheitsrisiken berge. Bestünden aber Zweifel an der Unbedenklichkeit eines Arzneimittels, sei sie - die Beklagte - nach §§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V nicht zur Kostenerstattung verpflichtet. Der Bundesaus-schuss habe in Nr. 17.1f seiner Arzneimittel-Richtlinien nicht den Inhalt des Krankheits-begriffes im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V bestimmt. Er habe lediglich das Wirtschaft-lichkeitsgebot des § 12 SGB V konkretisiert.

Im Berufungsverfahren hat der Kläger die Klage zurückgenommen, soweit sie die Kos-tenerstattung für Viagra bis zum Erlass des Bescheides am 17. August 2000 betrifft.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 15. August 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat im Parallelverfahren L 4 KR 216/01 folgende Unterlagen vom Bundesaus-schuss beigezogen und in das vorliegende Verfahren eingeführt: den Beschluss vom 3. August 1998 nebst Begründung, die Presseerklärung zu Viagra vom 3. August 1998 und das Protokoll der Sitzung, in der der Bundesausschuss über den Ausschluss von Viagra entschieden hat, sowie eine Auskunft vom 21. Oktober 2002. Der Senat hat ferner das vom Sozialgericht Lüneburg in einem Parallelverfahren erstattete Gutachten des Chef-arztes der Urologischen Klinik des Allgemeinen Krankenhauses Celle Prof. Dr. Klippel vom 15. Januar 2003 in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt.

Die Verwaltungsakten der Beklagten haben mit den Prozessakten des...

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