Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. Dienstreise bzw Fortbildung bzw Tagung. offizielles Tagungsprogramm. offizielle Abendveranstaltung. anschließendes geselliges Beisammensein im Hotel. betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung. begrenzter Teilnehmerkreis. gefährliche Einrichtung. Alkoholeinfluss. Außendienstmitarbeiter- Sturz auf Hoteltreppe

 

Orientierungssatz

1. Zur Abgrenzung einer betrieblichen veranlassten Tagung zum Zweck der Fortbildung (hier: Sicherheitsfahrtraining mit anschließender Veranstaltung) im Rahmen einer Dienstreise von einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung.

2. Gesellige Zusammenkünfte nach Abschluss des offiziellen Tagungsprogramms sind wegen ihres überwiegend privaten Charakters unversichert, auch wenn bei ihnen betriebliche Themen zur Sprache kommen (hier: Ausklang einer Fortbildungsveranstaltung mit einigen Tagungsteilnehmern und Führungskräften in einem Hotel, die sich für eine Übernachtung entschieden haben).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.03.2017; Aktenzeichen B 2 U 15/15 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 7. November 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Der 1954 geborene und in J. wohnhafte Kläger war im Unfallzeitpunkt als Angestellter im Außendienst in der Vertriebsdirektion (VTD) K. der L. Versicherungs-AG beschäftigt, in der ins-gesamt 64 Personen arbeiteten. Mit E-Mail vom 29. Juni 2006 lud der Leiter der VTD, der Zeuge M., 34 Außendienstmitarbeiter zu einem Sicherheitstraining im N. -Fahrsicherheitszentrum in O. ein, das im Rahmen des seinerzeit von der Arbeitgeberin veranstalteten “Tags des Vertriebs„ durchgeführt werden sollte. Vorgesehener Zeitpunkt war der 6. September 2006 von 10.00 - 18.00 Uhr. Im Anschluss war nach dem Einladungsschreiben ein gemütlicher Abend vorgesehen, der - gemeinsam mit den Mitgliedern des Innendienstes der VTD - im Veranstaltungslokal “P.„ auf dem ehemaligen Expo-Gelände in K. stattfinden sollte. Es sei im Parkhotel Q. in K. ein Einzelzimmer reserviert worden, das über die Reisekosten abgerechnet werden könne. Außerdem wurden mit E-Mail des Zeugen M. vom selben Tag 26 Innendienstmitarbeiter zur Abendveranstaltung am 6. September 2006 eingeladen. Für die Innendienstmitarbeiter würden danach die Übernachtungskosten übernommen, soweit eine Heimreise nicht zumutbar sei.

Am Fahrsicherheitstraining nahmen am 6. September 2006 27 Angestellte im Außendienst teil, außerdem drei ebenfalls eingeladene Mitarbeiter von Partnerunternehmen (L. -Bank bzw R. -Rechtsschutzversicherung). An der Abendveranstaltung nahmen zusätzlich 13 Angehörige des Innendienstes sowie zwei Mitarbeiter der Partnerunternehmen teil. Im “Wal„ stellte der Zeuge M. zunächst die Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung dar, die im Rahmen eines innerdienstlichen Benchmarking-Projekts (“Scope„) durchgeführt worden war. Anschließend fand bis kurz vor Mitternacht ein gemeinsames Abendessen statt, bei dem Essen und Getränke von der R. -Rechtsschutzversicherung gesponsert wurden.

Im Anschluss begaben sich die Mitarbeiter, die sich für eine Hotelübernachtung entschieden hatten, zum Parkhotel. Hierzu gehörte der Kläger, dessen unmittelbarer Vorgesetzter, der Zeuge S., sowie weitere Führungskräfte, nicht aber der Zeuge M., der nach Hause fuhr. Im Raum der Hotelbar standen die Mitarbeiter in kleinen Gruppen bei Getränken zusammen und unterhielten sich, der Kläger ua mit dem Zeugen S. und einem weiteren Arbeitskollegen, dem Zeugen T. Nachdem der Kläger gegen 0.45 Uhr mitgeteilt hatte, er wolle sich zum WC begeben und sich entfernt hatte, wurde er ca 5 bis 15 Minuten später bewusstlos am Ende eines etwa 20 Stufen umfassenden Teils der Treppe vorgefunden, die zu den Toiletten führte. Nach erfolgreicher Durchführung notärztlicher Wiederbelebungsmaßnahmen wurde er in die neuro-chirurgische Klinik des U. in K. eingeliefert. Dort wurde eine generalisierte Hirnschwellung mit generalisiertem Hirnödem als Hinweis auf einen hypoxischen Hirnschaden im Zusammenhang mit einem Herzstillstand festgestellt (Bericht vom 12. Dezember 2006). Eine außerdem durch-geführte Blutuntersuchung ergab (um 2:16 Uhr) einen Blutalkoholgehalt von 2,5 ‰. Aufgrund der Hirnschädigung besteht bei dem Kläger seitdem ein apallisches Syndrom (sog Wachkoma).

Auf Anfrage der Beklagten teilte die Arbeitgeberin des Klägers im Verwaltungsverfahren mit, die im Hotel untergebrachten Veranstaltungsteilnehmer hätten sich dort treffen sollen, um den Abend ausklingen zu lassen. Geplantes Ende sei am 7. September 2006 um 2:00 Uhr gewesen.

Mit Bescheid vom 27. Februar 2007 teilte die Beklagte mit, Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung seien nicht zu gewähren, weil es sich bei dem Ereignis vom 7. September 2006 nicht um einen Arbeitsunfall gehande...

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