Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende Test. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. kein anderes Aufenthaltsrecht als sorgerechtsausübender Elternteil eines Schulkindes bei fehlender Arbeitnehmereigenschaft zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Schule

 

Orientierungssatz

Ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach Art 10 EUV 492/2011 für den sorgerechtsausübenden Elternteil liegt nicht vor, wenn der Elternteil zum Zeitpunkt der Aufnahme der Schulausbildung des Kindes aufgrund der Kurzzeitigkeit sowie Unwesentlichkeit der Tätigkeit kein Arbeitnehmer im Sinne § 2 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU 2004 war.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.01.2021; Aktenzeichen B 14 AS 42/19 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 4. Oktober 2016 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren von dem Beklagten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. April bis zum 31. Juli 2013.

Der im Jahre M. geborene Kläger zu 1 und seine im Jahre N. geborene Ehefrau, die Klägerin zu 2, sowie ihre am O. geborene Tochter, die Klägerin zu 3, sind P. Staatsangehörige. Laut Meldebescheinigung des Stadtamts Q. vom 20. März 2013 war der Kläger zu 1 erstmals am 11. Februar 2008 für einen Tag unter der Anschrift R. in Q. gemeldet. Ein längerfristiger, durchgehender Wohnsitz im Bundesgebiet (S. in Q.) ist erstmals ab dem 5. März 2009 verzeichnet. Ausweislich zweier Bescheinigungen der Ausländerbehörde gem. § 5 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürger (FreizügG/EU) vom 13. Februar 2008 und vom 8. Juni 2009 hat sich der Kläger zu 1 am 11. Februar 2008 in der Bundesrepublik Deutschland angemeldet, die Klägerin zu 2 am 5. März 2009.

Seit Juli 2011 wohnten die Kläger in Bremen in einer Mietwohnung in der T. und haben hierfür monatlich eine Bruttokaltmiete i.H.v. 358 € zu zahlen. Der Kläger zu 1 war während mehrerer Zeiträume (erstmals ab Mai 2010, letztmals bis September 2012) bei der Fa. U. als Helfer teilzeitbeschäftigt, die Klägerin zu 2 arbeitete in der Zeit von April bis August 2011 zeitweilig als Reinigungskraft bei der Fa. V.

Die Kläger beantragten bei dem Beklagten erstmals am 12. Oktober 2010 unterhaltssichernde Leistungen nach dem SGB II. Der Beklagte bewilligte ihnen diese zuletzt mit Bescheid vom 19. September 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 10. Oktober 2012 für die Zeit vom 1. November 2012 bis zum 31. März 2013.

Am 19. Februar 2013 stellten die Kläger einen Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen für die Zeit ab dem 1. April 2013. Nachdem der Beklagte zunächst nicht über diesen Leistungsantrag entschied, strengten die Kläger bei dem Sozialgericht (SG) Bremen ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren an. Das SG verpflichtete den Beklagten sodann im Wege der einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 24. April 2013 (S 28 AS 629/13 ER), den Klägern ab dem 1. April 2013 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über ihren Leistungsantrag für den Zeitraum ab April 2013, längstens jedoch bis zum 30. September 2013, Leistungen in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Mit Bescheid vom 5. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 2013 lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger vom 19. Februar 2013 auf Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum ab dem 1. April 2013 ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass die Kläger nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II (i. d. F. des Gesetzes vom 13. Mai 2011, BGBl. I 850; a. F.) von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen seien. Sie hielten sich ausschließlich zum Zwecke der Arbeitsuche in Deutschland auf. Der Kläger zu 1 sei lediglich in den Zeiträumen vom 1. April bis zum 30. September 2010 (sechs Monate), vom 1. August bis zum 16. September 2011 (zwei Monate) sowie zuletzt vom 16. Juli bis zum 14. September 2012 (zwei Monate), mithin insgesamt weniger als ein Jahr beschäftigt gewesen. Das Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer bleibe daher gem. § 2 Abs. 3 FreizügG/EU lediglich für die Dauer von sechs Monaten unberührt und ende mit Ablauf des Monats März 2013. Es liege auch kein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU vor, da sich die Kläger noch keine fünf Jahre rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhielten. Maßgeblich sei insofern die Meldebescheinigung vom 20. März 2013.

Nachdem die Klägerin zu 2 eine neue Erwerbstätigkeit aufnahm, erhielten die Kläger ab dem 1. August 2013 wieder SGB II-Leistungen.

Die Kläger haben am 7. August 2013 vor dem SG Bremen Klage erhoben und hiermit Leistungsansprüche für die Zeit vom 1. April bis zum 31. Juli 2013 verfolgt. Zur Begründung haben sie vorgetragen, sich seit mehr als sechs Jahren rechtmäßig in Deutschland aufzuhalten. Dies ergebe sich aus der Meldebescheinigung vom 20. März 2013. Sie hätten sich im Zeitraum vom 11. Februar 2008 bis zum 5. März 2009 sowohl in W. als auch in Q. aufgehalten und in di...

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