Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücknahme eines Bescheides wegen Anrechnung von Einkommen auf eine Witwenrente. Abgrenzung der Anwendungsfälle der Korrekturnormen § 45 und § 48 SGB 10. Witwenrente. Atypischer Fall. Mitverschulden des Rentenversicherungsträgers. Ermessen. Umdeutung

 

Orientierungssatz

Zur Frage der anzuwendenden Korrekturnorm, wenn eine Witwenrente auf Dauer in voller Höhe zuerkannt wurde, obwohl zum Bewilligungszeitpunkt davon auszugehen war, dass nach Ablauf einer aus Rechtsgründen anrechnungsfreien Zeit Einkommen anzurechnen sein wird.

 

Normenkette

SGB VI §§ 97, 314 Abs. 3; SGB I § 60 Abs. 1; SGB X § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, Abs. 4, § 50

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 12. April 2007 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rücknahme von Witwenrentenbescheiden und Erstattung von Überzahlungen.

Die im Oktober 1959 geborene Klägerin füllte am 26. Juli 1995 den Witwenrentenantrag aus der Versicherung ihres am 29. Juni 1995 verstorbenen Ehemannes A. B. aus. In der Anlage zum Antrag auf Hinterbliebenenrente verneinte die Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt keiner abhängigen Beschäftigung nachging, die Frage nach dem Bezug von Arbeitsentgelt aus einem solchen Beschäftigungsverhältnis. Sie unterschrieb am 26. Juli 1995 die formularmäßig vorgedruckte Verpflichtung, die Beklagte unverzüglich zu benachrichtigen, wenn sich eine Änderung in der Höhe ihres Einkommens ergebe oder eine der unter Ziffer 3 bis 6 genannten Einkommensarten, darunter Arbeitsentgelt aus einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis (Ziffer 3), gezahlt oder beantragt werde. Ab 01. September 1995 war die Klägerin abhängig beschäftigt. Dies teilte sie der Beklagten nicht mit. Diese bewilligte mit Bescheid vom 04. Oktober 1995 so genannte kleine Witwenrente mit einem Zahlbetrag von monatlich 576,20 DM ab 01. November 1995 und einer Nachzahlung vom 29. Juni bis 31. Oktober 1995 in Höhe von 7.643,55 DM. Auf Seite 3 des Bescheides wurde die Klägerin darauf hingewiesen, der Beklagten das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen in der Gestalt von u.a. Arbeitsentgelt unverzüglich mitzuteilen. Auf der gleichen Seite führte die Beklagte aus, die Meldung von Veränderungen erübrige sich bei Einkommen aus einer in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit oder bei Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Mit Bescheid vom 13. August 2004 bewilligte die Beklagte beginnend am 01. November 2004 anstelle der bisherigen (kleinen) Witwenrente so genannte große Witwenrente. Auch dieser Bescheid enthielt auf Seite 3 die Verpflichtung, der Beklagten das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen unverzüglich mitzuteilen und die Einschränkung, die Meldung von Veränderungen erübrige sich bei Einkommen aus einer in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit oder bei Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung, ergänzt um den Hinweis, der Bezug eines bisher noch nicht mitgeteilten Einkommens oder der spätere Hinzutritt von Einkommen sei immer mitzuteilen. Beide Rentenbescheide enthielten außerdem auf Seite 4 den Hinweis, beim Zusammentreffen von Erwerbs- oder Ersatzeinkommen der Berechtigten sei das Einkommen im ersten Jahr nach dem Tode des Ehegatten nicht anzurechnen. Im zweiten Jahr werde die Einkommensanrechnung auf die Rente in Höhe von 10 %, im dritten Jahr in Höhe von 20 %, im vierten Jahr in Höhe von 30 % und vom fünften Jahr an in Höhe von 40 % des Betrages vorgenommen, um den das monatliche Einkommen einen dynamischen Freibetrag übersteige.

Mit Schreiben vom 11. August 2005, bei der Beklagten eingegangen am 15. August 2005, legte die Klägerin unter Hinweis auf den ihr mit Schreiben vom 30. Juni 2005 zugeleiteten Versicherungsverlauf aus eigener Versicherung die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit am 01. September 1995 offen. Zur Erklärung dafür, dass sie dies nicht früher getan habe, verwies die Klägerin auf den Hinweis der Beklagten im Bescheid vom 04. Oktober 1995, wonach sich die Meldung von Veränderungen im Zusammenhang mit Einkommen dann erübrige, wenn es sich um eine in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübte rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit handele.

Nach Anhörung der Klägerin erteilte die Beklagte die Bescheide vom 27. Februar und 28. Februar 2006. Darin stellte sie unter Aufhebung der Rentenbescheide vom 04. Oktober 1995 und 13. August 2004 die kleine bzw. die große Witwenrente neu fest und errechnete eine Überzahlung der kleinen Witwenrente für die Zeit vom 01. Juli 1996 bis zum 30. Oktober 2004 in Höhe von 11.142,49 € und eine solche der großen Witwenrente für die Zeit vom 01. November 2004 bis zum 30. November 2005 in Höhe von 2.904,18 €. Beide Bescheide enthielten in Anlage 10 ergänzende Begründungen und Hinweise dahingehend, der Hi...

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