Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bedarfsgemeinschaft -Berücksichtigung des Einkommens des Stiefelternteils bei hilfebedürftigen Stiefkindern

 

Orientierungssatz

1. Als "Eltern" bzw "Elternteil" iS von § 9 Abs 2 S 2 SGB 2 sind nur die leiblichen Eltern, nicht jedoch die Stiefeltern anzusehen.

2. Gehört das Stiefkind zum Personenkreis der Bedarfsgemeinschaft, kann es nicht gleichzeitig dem Personenkreis der Haushaltsgemeinschaft nach § 9 Abs 5 SGB 2 zugerechnet werden. Es bleibt offen, ob das Einkommen des Stiefelternteils gem § 9 Abs 5 SGB 2 iVm § 1 Abs 2 AlgIIV bei der Berechnung des Bedarfs der leiblichen Kinder seines Ehegatten zu berücksichtigen ist.

 

Gründe

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss vom 8. Februar 2005 ist mittlerweile zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die zunächst durch die Bundesagentur für Arbeit - Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen - am 8. März 2005 fristgemäß eingelegte Beschwerde war ursprünglich unzulässig. Denn die Bundesagentur für Arbeit war kein ausreichend legitimierter und befugter Prozessbevollmächtigter zur Einlegung der Beschwerde.

Antragsgegner des vorliegenden vorläufigen Rechtschutzverfahrens ist die Arbeitsgemeinschaft der Agentur für Arbeit F. und der Stadt F. Denn die nach dem SGB II wahrzunehmenden Aufgaben der Bundesagentur und der kommunalen Träger (§ 6 Abs 1 Satz 1 SGB II) sind gemäß § 44b SGB II auf die Arbeitsgemeinschaft übertragen worden. Damit sind die Zuständigkeiten - die in § 6 Abs 1 Satz 1 SGB II genannten Kompetenzen - auf den neuen Rechtsträger - die Arbeitsgemeinschaft - übergegangen. Bei dieser durch Gesetz ermöglichten Aufgabenübertragung handelt es sich nicht um ein Mandat, sondern um eine Delegation (vgl hierzu Schenke, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, Verwaltungsarchiv Band 68, (1977) Seiten 118ff; Rasch, Bemerkungen zur Rechtsnatur organisatorischer Maßnahmen, DVBl 1983, Seite 617). Durch die hier vorgenommene Delegation wird die Kompetenz verändert. Die Bundesagentur und die Stadt haben die ihnen eingeräumten rechtlichen Zuständigkeiten übertragen auf ein anderes Rechtssubjekt, nämlich die Antragsgegnerin. Diese ist nunmehr zur eigenständigen Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben berechtigt und verpflichtet. Dies ergibt sich sinnfällig aus § 44b Abs 3 Satz 3 SGB II, wonach die Arbeitsgemeinschaft berechtigt ist, zur Erfüllung ihrer Aufgaben Verwaltungsakte und die Widerspruchsbescheide zu erlassen. Mit anderen Worten: Nach der Aufgabenübertragung ist zuständiger Leistungsträger nicht mehr die Bundesagentur bzw der kommunale Träger, sondern die beauftragte Arbeitsgemeinschaft. Diese allein ist berechtigt und verpflichtet, ihre Entscheidungen vor Gericht zu vertreten. Mitarbeiter anderer juristischer Personen sind dazu nicht mehr befugt.

Eine Bevollmächtigung von Mitarbeitern der Bundesagentur durch die Arbeitsgemeinschaft scheitert an den Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes. Denn nach § 1 Abs 1 Rechtsberatungsgesetz bedarf die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einer Erlaubnis. Eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten läge hier vor, wenn Mitarbeiter der Bundesagentur Angelegenheiten der Arbeitsgemeinschaft vor Gericht verträten. Denn die Aufgaben der Bundesagentur bzw des kommunalen Trägers sind - wie oben dargelegt - auf die Arbeitsgemeinschaft übertragen worden, so dass es sich bei den übertragenen Aufgaben nunmehr um eine eigene Angelegenheit der Arbeitsgemeinschaft handelt.

Aus den zuvor genannten Gründen kann die Prozessvertretung durch Mitarbeiter der Bundesagentur auch nicht auf § 3 Nr 1 Rechtsberatungsgesetz gestützt werden. Danach wird durch das Rechtsberatungsgesetz nicht berührt die Rechtsberatung und Rechtsbetreuung, die von Behörden bzw von Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer Zuständigkeit ausgeübt wird. Aufgrund der Zuständigkeitsübertragung auf die Arbeitsgemeinschaft liegt dieser Sachverhalt nicht mehr vor.

Allerdings hat die Antragsgegnerin auf rechtliche Hinweise des Gerichts reagiert. Die Bundesagentur für Arbeit ist aus dem Prozess ausgeschieden. Die Antragsgegnerin hat die Beschwerdeeinlegung durch die Bundesagentur für Arbeit genehmigt. Diese Genehmigung der Beschwerde wirkt gemäß § 184 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf den Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung zurück. Damit steht fest, dass aufgrund der Genehmigung der Beschwerdeeinlegung die Beschwerde fristgemäß erhoben wurde.

Die Beschwerde ist in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie abzuweisen.

Leistungen nach dem SGB II stehen der Antragstellerin zu 1. (ebenso dem Antragsteller zu 2.) nicht zu; Anspruch auf Sozialgeld haben hingegeben die fünf Kinder der Antragstellerin zu 1. - ohne Berücksichtigung des Einkommens (und Vermögens) des Antragstellers zu 2. Der Senat kann allerdings insoweit keine vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin aussprechen, weil die Antragsteller Beschwerde nicht eingelegt haben.

Die Antra...

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