Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. kein Anspruch auf Sozialhilfe. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erwerbsfähige Unionsbürger, die nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, haben keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII (§ 21 S 1, § 23 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB XII).

2. Der Ausschluss erwerbsfähiger Unionsbürger von laufenden Leistungen nach dem SGB II und SGB XII ist nicht verfassungswidrig.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 20. August 2015 geändert. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 20. August 2015 wird zurückgewiesen.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin J. (K.) zu den Bedingungen einer im Zuständigkeitsbereich des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen niedergelassenen Rechtsanwältin bewilligt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (LSL) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Antragsgegner (AG), eine gemeinsame Einrichtung des Landkreises L. und der Bundesagentur für Arbeit (BA) nach § 44b SGB II, wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts (SG) Lüneburg, mit dem er zur (vorläufigen) Leistungsgewährung verpflichtet worden ist. Die Antragsteller begehren mit ihrer Beschwerde eine weitergehende Verpflichtung des AG.

Die vier Antragsteller sind Staatsangehörige der Republik Rumänien. Der Antragsteller zu 1. und die Antragstellerin zu 2. sind beide 1986 geboren und miteinander verheiratet. Bei der 2011 - in Rumänien (Geburtsurkunde unter Bl 35 der von dem AG beigezogenen Leistungsakte [LA] - geborenen Antragstellerin zu 3. und dem 2014 in Deutschland geborenen Antragsteller zu 4. handelt es sich um gemeinsame Kinder.

Die Antragsteller haben nach eigenen Angaben bis 31. März 2015 LSL in K. erhalten (Erklärung v. 17. März 2015 = Bl 27 LA; Aufhebungsbescheid unter Bl 37 = Bl 66 LA). Im Zusammenhang mit einem Umzug nach M. beantragten sie am 16. März 2015 bei dem AG die Gewährung von LSL (Hauptantrag unter Bl 13 LA). Der Antragsteller zu 1. gab darin an, innerhalb der letzten fünf Jahre in der Zeit vom 20. Oktober bis 23. Dezember 2014 sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen zu sein (Ziff. 6.1 des Mantelvordrucks = Bl 14 LA). Aus einem verbis-Vermerk des AG ergibt sich, dass der Antragsteller zu 1. in der Zeit vom 1. Februar 2012 bis 30. April 2014 selbstständig tätig gewesen sein soll (Bl 80 LA). Die Antragstellerin zu 2. machte zu einer Beschäftigung keine Angaben. Bis Mai 2015 erhielt der Antragsteller zu 1. Elterngeld in monatlich unterschiedlicher Höhe von der N. (schwankend zwischen 300 Euro und 578,11 Euro, [Neufeststellungs-]Bescheid v. 14. Januar 2015 = Bl 55 = Bl 115 LA). Für den Antragsteller zu 4. erhält die Antragstellerin zu 2. Kindergeld iHv monatlich 184 Euro (Bescheid der Familienkasse Nord v. 30. Juli 2014 = Bl 53 LA). Mit den Antragsvordrucken legten die Antragsteller zu 1. bis 3. drei von der Stadt O. unter dem 25. Juni 2012 ausgestellte Bescheinigungen gemäß § 5 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU ≪FreizügG/EU) vor (Bl 29-31 LA). Aus dieser Bescheinigung geht hervor, dass eine Anmeldung am 1. Oktober 2011 erfolgt ist.

Mit Bescheid vom 30. März 2015 bewilligte der AG den Antragstellern vorläufig LSL für den Zeitraum 1. April bis 30. Juni 2015 (Bl 84 LA). Die Vorläufigkeit bezieht sich ausweislich der Begründung (s.a. den Vermerk des AG v. 27. März 2015 = Bl 82 LA) auf den nicht berücksichtigten Bedarf für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU). Mit Blick auf die Dauer der Bewilligung führte der AG aus, der Arbeitnehmerstatus des Antragstellers zu 1. wirke sechs Monate nach, anschließend greife ein Ausschlussgrund für Ausländer (Hinweis auf § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II). Zeitgleich mit der Bescheidung nahm der AG weitere Ermittlungen auf und forderte die Antragsteller zur Mitwirkung - unter anderem - hinsichtlich der KdU auf (Schreiben v. 30. März 2015 = Bl 91 = Bl 98 LA). Mit Bescheid vom 30. April 2015 wurden für den genannten Zeitraum LSL unter Berücksichtigung der KdU bewilligt (Bl 131 LA).

Am 29. April 2015 beantragten die Antragsteller eine Erstausstattung für die Wohnung (undatiertes Schreiben unter Bl 121 LA; Kinderzimmereinrichtung, Schlafzimmereinrichtung, Waschmaschine, Küchentisch mit Stühlen, Gefriertruhe). Diesen Antrag lehnte der AG ab (Bescheid v. 30. April 2015 = Bl 137 LA). Der hiergegen erhobene Widerspruch (vom 7. Mai 2015 = Bl 138 LA; weitere Begründung mit ...

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