Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. Sozialhilfe. Leistungsausschluss für dem Grunde nach Leistungsberechtigte nach dem SGB 2. Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 S 1 SGB 12. keine Leistungsgewährung nach § 23 Abs 1 S 3 SGB 12. kein Verstoß gegen das EuFürsAbk. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erwerbsfähige Unionsbürger, die nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, haben keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII (§ 21 S 1, § 23 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB XII).

2. Der Ausschluss erwerbsfähiger Unionsbürger von den Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt des SGB XII (§ 21 S 1 SGB XII) stellt keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Europäischen Fürsorgeabkommens dar.

3. Der Ausschluss erwerbsfähiger Unionsbürger von laufenden Leistungen nach dem SGB II und SGB XII ist nicht verfassungswidrig.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 2. November 2015 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. (I.) bewilligt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (LSL) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Antragsteller wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts (SG) Lüneburg, mit dem ihre Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden sind.

Die 1967 geborene Antragstellerin zu 1) und deren Sohn, der 2005 geborene Antragsteller zu 2), sind Staatsbürger der Republik Italien (Ablichtung eines Ausweisdokuments der Antragstellerin zu 1) unter Bl 9 der von dem Antragsgegner [AG] beigezogenen Leistungsakte [LA]; Geburtsurkunde des Antragstellers zu 2) in italienischer Sprache unter Bl 15 LA). Sie kamen nach eigenen Angaben Ende April 2014 aus Italien nach Deutschland (Schreiben v. 10. Oktober 2015 = Bl 193 LA). Sie hielten sich - ebenfalls nach eigenen Angaben - zunächst in J. auf, bevor sie im August 2014, nachdem die Antragstellerin zu 1) bei ihrem dortigen Arbeitgeber (einer Pizzeria) keinen Lohn erhalten hatte, nach I. gezogen sind (verbis-Vermerk unter Bl 37 LA). Die Antragstellerin zu 1) ist der deutschen Sprache nur sehr eingeschränkt mächtig (verbis-Vermerk v. 20. Oktober 2014 = Bl 5 LA). Sie wird, ausweislich der Vermerke des AG, bei Kontakt mit dem AG stets von Dritten unterstützt. Auch im schriftlichen Verkehr halfen Dritte.

Die Antragsteller beantragten erstmals am 20. Oktober 2014 bei dem AG, einer gemeinsamen Einrichtung des Landkreises I. und der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemäß § 44b SGB II, die Gewährung von LSL (Mantelvordruck unter Bl 6 LA). Sie gaben an, über kein Einkommen und kein Vermögen zu verfügen und bislang von Ersparnissen gelebt zu haben (Bl 1 LA). Bis zum “22. Oktober 2014„ habe die Antragstellerin zu 1) im Restaurant “K.„ in I. gearbeitet, bislang aber kein Geld erhalten (verbis-Vermerk unter Bl 4 LA; in einem späteren Vermerk hielt der AG den 8. Oktober 2014 als letzten Tag der Beschäftigung fest, s. verbis-Vermerk v. 24. November 2014 = Bl 48 = Bl 63 LA). Die Inhaberin habe ihr gekündigt, nachdem sie - die Antragstellerin zu 1) - krank geworden sei (verbis-Vermerk v. 24. Oktober 2014 = Bl 37 LA). Die Inhaberin behaupte nunmehr, sie habe dort nie gearbeitet. Auf den Antrag und den Weiterbewilligungsantrag (WBA) vom 10. April 2015 (Bl 108 LA) gewährte der AG jeweils Leistungen (Bescheid v. 24. November 2014 = Bl 55 LA und Bescheid v. 14. April 2015 = Bl 110 LA [Bewilligung bis 30. September 2015]).

Am 29. September 2015 stellten die Antragsteller einen WBA für die Zeit ab 1. Oktober 2015 (Bl 182 LA). Der AG forderte die Antragstellerin zu 1) zur Mitwirkung auf und bat um Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme, seit wann und aus welchem Grunde sie sich mit dem Antragsteller zu 2) in Deutschland aufhalte (Schreiben v. 30. September 2015 = Bl 185 LA). Daraufhin ging bei dem AG ein Schreiben der Antragstellerin zu 1) vom 10. Oktober 2015 ein (Bl 192 f. LA). Bei diesem Schreiben handelt es sich um eine Übersetzung aus dem Englischen durch Frau L. (vgl deren Anschreiben unter Bl 192 LA und deren handschriftlichen Vermerk am Ende der abgegebenen Stellungnahme). Sie führte aus, dass sie am 28. April 2014 Italien verlassen habe und nach Deutschland gezogen sei. Als Grund gab sie die schwere Wirtschaftskrise in Italien an. Sie habe Fremdsprachen studiert und dann ein Studium als Krankenschwester absolviert. In Italien sei es derzeit sehr schwierig, eine Arbeitsstelle zu finden. Sie möchte nicht, dass ihr Sohn in einem Land aufwachse, in dem gute Leistungen nichts mehr gälten. Sie möchte, dass ihr Sohn in Deutschland studi...

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