Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Höhe der Einigungsgebühr. Einbeziehung mehrerer Verfahren in einen gerichtlichen Vergleich. Synergieeffekte. Überprüfung der Billigkeit der Gebührenbestimmung des beigeordneten Rechtsanwalts von Amts wegen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Werden von einem in einem gerichtlichen Verfahren geschlossenen Vergleich noch weitere Verfahren erfasst, entsteht die Einigungsgebühr nach dem RVG, soweit deren Voraussetzungen vorliegen, zwar grundsätzlich in jedem dieser Verfahren.

2. Bei der gebührenrechtlichen Bewertung der Mühewaltung des im Prozesskostenhilfeverfahren beigeordneten Rechtsanwalts ist jedoch zu berücksichtigen, dass von dem geschlossenen Vergleich weitere Verfahren erfasst wurden, weshalb bei der Gebührenbemessung auch entsprechende Synergieeffekte für diese Verfahren einzuberechnen sind.

 

Orientierungssatz

Für eine grundsätzliche Beschränkung der sozialgerichtlichen Prüfungs- und ggf Korrekturkompetenz im Rahmen von Vergütungsfestsetzungsverfahren für im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwälte auf Fälle, in denen der zur Erstattung verpflichtete Dritte die Unbilligkeit als Einwendung vorgetragen hat, ist eine gesetzliche Grundlage vor dem Hintergrund des im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 103 SGG geltenden Untersuchungs- bzw Amtsermittlungsgrundsatzes nicht zu ersehen.

 

Tenor

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 19. März 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung in einem Prozesskostenhilfeverfahren.

Der Beschwerdeführer wurde mit Beschluss des Sozialgerichts (SG) Braunschweig vom 1. Februar 2013 im Klageverfahren zum Aktenzeichen S 25 AS 989/10 den dortigen zwei Klägern als Prozessbevollmächtigter ab dem 31. Januar 2013 beigeordnet, nachdem das SG zuvor den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) mit Beschluss vom 23. Dezember 2010 abgelehnt hatte. In dem am 20. Februar 2010 anhängig gemachten Klageverfahren stritten die dortigen Beteiligten um Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Das Verfahren endete durch einen in der öffentlichen Sitzung des SG am 31. Januar 2013 geschlossenen Vergleich. In diesem Vergleich wurde unter Ziffer 3 geregelt, dass die Kläger die Klagen zu den Aktenzeichen S 25 AS 2048/12, S 25 AS 2049/12 und die dazu gestellten PKH-Anträge sowie die Klage zum Aktenzeichen S 25 AS 2050/12 zurücknehmen.

Am 25. Februar 2013 beantragte der Beschwerdeführer die Erstattung der Auslagen und Gebühren des beigeordneten Rechtsanwalts für seine Tätigkeit im Klageverfahren in Höhe von insgesamt 999,60 Euro. Im Einzelnen machte er Folgendes geltend: Verfahrensgebühr nach Nr. 3103, 1008 der Anlage 1 zum Rechtsanwalts-Vergütungsgesetz in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung (VV RVG a.F.) in Höhe von 280,00 Euro, Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG a.F. in Höhe von 380,00 Euro, Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG a.F. in Höhe von 240,00 Euro, die Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV RVG a.F. in Höhe von 20,00 Euro, Tagegeld in Höhe von 40,00 Euro für die Wahrnehmung von zwei Terminen sowie 19 % Umsatzsteuer auf 840,00 Euro in Höhe von 159,60 Euro.

Mit Beschluss vom 19. März 2013 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG) des SG die dem Beschwerdegegner zu erstattende Vergütung auf insgesamt 398,45 Euro fest. Dabei berücksichtigte der UdG die Gebühren und Auslagen in folgender Höhe: Verfahrensgebühr nach Nr. 3103, 1008 VV RVG a.F. in Höhe von 26,00 Euro, Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG a.F. in Höhe von 200,00 Euro, Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG a.F. in Höhe von 87,50 Euro, die Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV RVG a.F. in Höhe von 20,00 Euro, Tage- und Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 Ziffer 1 VV RVG a.F. in Höhe von 1,33 Euro sowie 19 % Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG a.F. in Höhe von 63,62 Euro. Die Terminsgebühr könne nur in Höhe der Mindestgebühr zuzüglich einer Erhöhung von 30 % für einen weiteren Auftraggeber berücksichtigt werden, weil die PKH-Bewilligung erst ab dem 31. Januar 2013 erfolgt sei und davor liegende anwaltliche Tätigkeiten nicht berücksichtigt werden könnten. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien deutlich unterdurchschnittlich. Die Terminsgebühr könne nur in Höhe von 200,00 Euro festgesetzt werden. Es könne lediglich der Termin am 31. Januar 2013 berücksichtigt werden, weil die PKH-Bewilligung erst ab diesem Zeitpunkt erfolgt sei. Die Einigungsgebühr könne nur in Höhe von 87,50 Euro angesetzt werden, weil der in der mündlichen Verhandlung geschlossene Vergleich insgesamt vier Verfahren umfasse. Die Einigungsgebühr sei gleichwohl nur einmal entstanden, da auch nur ein einheitlicher Vergleich geschlossen worden sei. Insoweit sei die beantragte Einigungsgebühr von 240,00 Euro auf alle vier Verfahren...

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