Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Berücksichtigung von Wartezeiten. keine Erhöhung der Termins- oder Verfahrensgebühr. Bemessung des Tage- und Abwesenheitsgelds. Vergütungsstruktur des RVG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wartezeiten sind generell nicht geeignet, die Verfahrensgebühr nach der Nr 3102 VV RVG (juris: RVG-VV) oder die Terminsgebühr nach der Nr 3106 VV RVG zu erhöhen.

2. Soweit Wartezeiten und Vorhaltezeiten die Abwesenheit des Anwalts vom Kanzleisitz verlängern, sind sie im Rahmen der Bemessung des Tage- und Abwesenheitsgelds nach der Nr 7005 VV RVG zu berücksichtigen.

3. Eine weitere gesonderte Berücksichtigung des Faktors "Zeit" hat der Gesetzgeber im Rahmen der auf Verfahrenspauschgebühren beruhenden Vergütungsstruktur nach dem RVG nicht vorgesehen.

 

Orientierungssatz

Soweit unter Verweis auf die Strafverteidigergebühren teilweise eine Berücksichtigung von Wartezeiten und Verhandlungspausen bei der Terminsgebühr bejaht wird, überzeugt diese - auf dem Rechtsgedanken der Sonderregelung in Vorbem 4 Abs 3 S 2 RVG-VV beruhende - Auffassung nicht. Für das sozialgerichtliche Verfahren greift diese Sonderregelung nicht ein.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den die Erinnerung zurückweisenden Beschluss des Sozialgerichts Stade vom 15. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung in einem Prozesskostenhilfeverfahren.

Der Beschwerdeführer wurde mit Beschluss vom 12. Juli 2013 im Klageverfahren beim Sozialgericht Stade (SG) zum dortigen Aktenzeichen S 28 AS 262/13 der dortigen Klägerin als Prozessbevollmächtigter beigeordnet. In dem Verfahren stritten die dortigen Beteiligten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) um einen Anspruch der Klägerin auf die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Das Jobcenter Kreis Gütersloh hatte zuvor den Antrag der Klägerin auf Leistungen nach dem SGB II wegen fehlender Mitwirkung bestandskräftig abgelehnt. Der Überprüfungsantrag wurde vom Jobcenter Kreis Gütersloh ebenfalls abgelehnt, weil er von dem Bestehen einer Einstandsgemeinschaft und damit einer Bedarfsgemeinschaft zwischen der Klägerin und einem Herrn U.ausging und die Klägerin trotzt Aufforderung weiterhin keine Unterlagen zur Vermögen und Einkommenssituation des Herrn U.vorgelegt hatte. In dem Klageverfahren reichte der Beschwerdeführer für die Klägerin am 26. April 2013 fristwahrend die Klage ein, die er sodann am 8. Mai 2013 auf zwei Seiten begründete. Nach der Klageerwiderung durch das Jobcenter Kreis Gütersloh teilte der Beschwerdeführer für die Klägerin lediglich mit, dass sie an ihrer bisherigen Rechtsauffassung festhalte. Außerdem teilte er dem SG mit Schriftsatz vom 31. Juli 2013 die ladungsfähige Anschrift des Herrn U.mit. Mit Verfügung vom 21. Mai 2014 unterbreitete das SG den Beteiligten einen Vergleichsvorschlag, nach dem das Jobcenter der Klägerin für den Zeitraum 1. Juni 2012 bis 31. Juli 2012 Regelleistungen nach § 20 SGB II in gesetzlicher Höhe gewähren sollte und die Beteiligten den Rechtsstreit sodann für erledigt erklären sollten. Das Jobcenter stimmte diesem Vorschlag zu. Der Beschwerdeführer lehnte dagegen für die Klägerin mit Schriftsatz vom 13. Juni 2014 diesen Vergleichsvorschlag zunächst ab. Daraufhin bestimmte das SG einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 2. Mai 2016, 10:10 Uhr. Die mündliche Verhandlung verzögerte sich am 2. Mai 2016 jedoch und begann erst um 10:47 Uhr und endete um 11:31 Uhr. In der mündlichen Verhandlung schlossen die Beteiligten schließlich doch einen gerichtlichen Vergleich, in dem sich das Jobcenter Kreis Gütersloh bereit erklärte, der Klägerin für den Zeitraum 1. Juni 2012 bis 28. November 2012 Regelleistungen nach § 20 SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Im Gegenzug nahm die Klägerin sodann die Klage im Übrigen zurück. Die Kosten wurden im Vergleich gegeneinander aufgehoben.

Mit Schreiben vom 31. Mai 2016 beantragte der Beschwerdeführer beim SG die Erstattung der Gebühren und Auslagen für seine Tätigkeit in dem Klageverfahren. Abgerechnet wurden dabei nach dem Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 297,50 €, eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 320,00 €, eine Einigungsgebühr nach Nr. 1005 VV RVG in Höhe von 304,00 € sowie die Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 € und 19% Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 178,89 €, insgesamt also 1.120,39 €. Abzüglich der bereits erhaltenen Vorschüsse in Höhe von 238,00 € und 321,30 € machte er somit einen weiteren Betrag in Höhe von 561,09 € geltend. Im Hinblick auf die Verfahrensgebühr sei der Umfang der Bearbeitung überdurchschnittlich gewesen, die Schwierigkeit der Bearbeitung sei durchschnittlich gewesen, das Haftungsrisiko wegen des...

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