Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. keine Kostenübernahme für vorsorgliche Entfernung des Brustdrüsengewebes (hier: ausgedehnte Fibroadenome). keine Nachweisbarkeit erhöhten Brustkrebsrisikos. Krebsangst. psychischer Leidensdruck rechtfertigt keinen operativen Eingriff. Vorrangigkeit psychiatrischer/psychologischer Behandlungen

 

Leitsatz (amtlich)

Keine Kostenübernahme einer vorsorglichen beidseitigen Entfernung des Brustdrüsengewebes bei Krebsangst, wenn ein deutlich erhöhtes Brustkrebsrisiko wegen gehäufter familiärer Erkrankungen oder Genmutation nicht nachgewiesen ist.

 

Orientierungssatz

Psychischer Leidensdruck wegen Krebsangst rechtfertigt keinen operativen Eingriff und ist vorrangig durch Psychiater/Psychologen zu behandeln.

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 28. Januar 2019 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme für eine beidseitige Entfernung des Brustdrüsengewebes unter Belassung der Haut mit Sofortrekonstruktion mit Silikonimplantaten und Straffung.

Die im Jahre 1974 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Bei ihr bestehen ua ausgedehnte Fibroadenome der linken Brust (1 bis 2 cm große Knoten, meist im reproduktionsfähigen Alter auftretende Entwicklung, im weiter fortgeschrittenen Alter vermehrt spontane Rückbildungstendenz) sowie Depressionen und ausgeprägte Angstzustände.

Am 7. September 2017 beantragte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Kostenübernahme für eine operative Entfernung des Brustdrüsengewebes sowie die Sofortrekonstruktion durch Silikonimplantate und die Straffung. Hierzu überreichte sie einen Bericht der Fachärzte für plastische und ästhetische Chirurgie Dr G. und Frau H. vom 18. August 2017, wonach eine solche Prozedur dringend indiziert sei. Bereits seit etwa 3 Jahren entwickelten sich in der linken Brust Zysten und Tumore. Diese waren ausweislich eines beigefügten Befundberichtes des I. vom 22. August 2017 gutartig. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der sozialmedizinischen Begutachtung. Dieser führte mit Stellungnahme vom 18. September 2017 aus, dass die beantragte Operation medizinisch nicht indiziert sei. Fibroadenome seien im Wege klinischer Tastuntersuchungen, Sonografie und Mammographie zu überwachen. Ein maßgeblicher Hinweis auf ein Malignom liege gerade nicht vor.

Gestützt auf die Feststellungen des MDK lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 19. September 2017 ab.

Die Klägerin erhob Widerspruch und trug vor, dass ihre linke Brust bereits im Anschluss an eine Voroperation deformiert sei. Sie könne kaum auf dem Bauch liegen und müsse ständig einen BH tragen. Ferner legte sie die psychiatrisch psychologische Stellungnahme des J. Klinikums K. vom 2. November 2017 vor. Hiernach hätte das wiederholte Auftreten gutartiger Tumore zu einer erheblichen psychischen Belastung geführt. Es bestünden Störungen der Vitalgefühle, Zustände der inneren Unruhe und Antriebsstörungen bei reduzierter Aufmerksamkeit, Konzentrations- und Auffassungsgabe.

Die Beklagte beauftragte erneut den MDK mit der Überprüfung. Mit Stellungnahme vom 15. November 2017 führte dieser aus, dass die vorliegenden Fibroadenome keine Indikation für den streitbefangenen Eingriff bilden würden. Erst wenn sich in der apparativen Diagnostik suspekte Befunde ergäben, sei dies operativ abzuklären. Es sei dann eine Stanzbiopsie bis hin zur Entfernung der Fibroadenome indiziert. Eine Biopsie sei bereits im Jahre 2016 durchgeführt worden.

Ausgehend von diesen Ausführungen wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2018 als unbegründet zurück. Eine medizinische Indikation für den beabsichtigten Eingriff bestehe nicht.

Bereits am 8. Februar 2018 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Bremen erhoben. Dieses hat die Klage mit Beschluss vom 6. Juni 2018 an das örtlich zuständige Sozialgericht Stade verwiesen. Aufgrund der rezidivierend aufgetretenen Tumore und einer dadurch bedingten sehr engmaschigen ärztlichen Befundkontrolle sei eine subkutane Mastektomie mit Straffung der Brust und Sofortrekonstruktion durch Silikonimplantate dringend medizinisch indiziert. Die Dichte des Brustgewebes berge ein erhöhtes Malignomrisiko und behindere andererseits die Erkennbarkeit einer Tumorentwicklung. Die Klägerin sei psychisch erheblich belastet. Die Unsicherheit darüber, ob sich bereits ein Malignom gebildet habe oder ein Vorstadium eingetreten sei, sei auf Dauer nicht zu ertragen.

Das SG hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes das Gutachten des Frauenarztes Prof Dr Dr L. vom 24. September 2018 nebst ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 7. Januar 2019 eingeholt. Darin führt dieser aus, das eine subkutane Mastektomie mit anschließendem Brustaufbau bei bösartigen Erkrankungen oder einer genetischen Belastung indiziert sei. Diese Tatbestände lägen bei der...

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