Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunfts- und Heizkosten. Darlehen für Energiekostenrückstände. Prüfung des Tatbestandsmerkmals "gerechtfertigt". Ermessensentscheidung. einstweiliger Rechtsschutz. Herbeiführung der Notlage. Stromsperre

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erst wenn das Tatbestandsmerkmal der Rechtfertigung in § 22 Abs 5 SGB 2 erfüllt ist, kann der Leistungsträger eine Entscheidung im (intendierten) Ermessen bezüglich der Übernahme der Energiekostenrückstände treffen; das gilt sinngemäß auch im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

2. Ein missbräuchliches Herbeiführen der Notlage durch den Hilfesuchenden zulasten des Leistungsträgers kann der Übernahme der Rückstände entgegenstehen.

 

Orientierungssatz

1. Bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals "gerechtfertigt" gem § 22 Abs 5 SGB 2 ist zu prüfen, ob die Unterkunft bereits geräumt worden ist oder - wenn auch bei Zahlung der Rückstände ein Räumungsschutz nicht gewährt würde und die Wohnung ohnehin alsbald geräumt werden müsste - , ob der Arbeitsuchende alle Möglichkeiten der Selbsthilfe auch unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Situation und der Vermögensverhältnisse ausgeschöpft hat und ob die Schuldenübernahme zur Sicherung einer nicht kostenangemessenen Unterkunft führt.

2. Nicht zu prüfen ist, ob die Gefährdung der Unterkunft bzw die eingetretene Notlage durch ein Verhalten des Arbeitsuchenden verschuldet worden ist.

3. Das Ermessen ist auch bei unmittelbar drohender Sperre der Energiezufuhr nicht reduziert, wenn sich eine Hilfeempfängerin ein sozialwidriges, unwirtschaftliches und die Möglichkeiten der Selbsthilfe ignorierendes Verhalten entgegen halten lassen muss (Entgegen LSG Celle-Bremen vom 28.5.2009 - L 7 AS 546/09 B ER).

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin vom 27. Juli 2009 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 23. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin die Gewährung eines Darlehens zur Übernahme von Mietrückständen, die bei Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht (SG) Oldenburg 849,38 € betrugen und nunmehr wohl über 1.300,00 € ausmachen.

Die im Mai 1955 in Polen geborene Antragstellerin ist deutsche Staatsangehörige und seit dem Mai 2004 verwitwet. Sie ist die Mutter eines im Juni 1996 geborenen Sohnes, mit dem sie zusammen in Haushaltsgemeinschaft lebt und der - soweit ersichtlich - die Schule besucht. Die Antragstellerin und ihr Sohn bezogen bereits an ihrem früheren Wohnort in F. laufende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Zum 1. September 2005 erfolgte ihr Zuzug nach G.; seitdem erhielten sie von der Antragsgegnerin laufende Leistungen nach dem SGB II in unterschiedlicher Höhe durch zwischenzeitlich bestandskräftige Bewilligungsbescheide. Dabei berücksichtigte die Antragsgegnerin stets die laufenden Einkünfte der Bedarfsgemeinschaft aus dem Kindergeld, der Witwenrente für die Antragstellerin, der Halbwaisenrente für ihren Sohn sowie zeitweise Einkünfte der Antragstellerin aus verschiedenen Nebentätigkeiten.

Auf den Fortzahlungsantrag der Antragstellerin vom 13. Juli 2006 bewilligte die Antragstellerin ihr und ihrem Sohn mit Bewilligungsbescheid vom 17. Juli 2006 für den Bewilligungszeitraum September 2006 bis einschließlich Februar 2007 Leistungen in Höhe von monatlich 562,28 € die bis 31. Oktober 2006 in der H. in G. gewohnt hatten. Ab dem 1. November 2006 mietete die Familie eine neue Wohnung in der I. in G. zu einer Gesamtmiete von (seinerzeit) monatlich 456,73 € an, in der sie auch heute noch lebt. Der Umzug erfolgte mit Zustimmung der Antragsgegnerin. Mit Änderungsbescheid vom 30. November 2006 betreffend den Zeitraum November 2006 bis Februar 2007 gewährte die Antragsgegnerin ihnen daraufhin monatlich Leistungen in Höhe von 583,61 € und berücksichtigte dabei die neue nach dem Umzug im November 2006 angefallene Miete unter Abzug eines Betrages für die Zubereitung von warmen Wasser. Am 9. Januar 2007 meldete sich die Vermieterin bei der Antragsgegnerin und teilte mit, dass die Antragstellerin weder die Kaution noch die Miete für die Monate November 2006 bis Januar 2007 gezahlt habe. Nach Rücksprache und Antragstellung durch die Antragstellerin gewährte daraufhin die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Bescheid vom 18. Januar 2007 ein Darlehen in Höhe von 777,00 € für die Kaution und überwies diesen Betrag direkt an die Vermieterin der Antragstellerin. Mit einem weiteren Bescheid vom gleichen Tag teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie in Zukunft ab dem Februar 2007 den Betrag der Gesamtmiete von 456,73 € monatlich direkt an die Vermieterin überweisen werde, soweit dieser durch den Betrag der Leistungsgewährung an sie und ihren Sohn insgesamt gedeckt sei.

Auf den Fortzahlungsantrag der Antragstellerin vom 7. März 2007 gewährte die Antragsgegnerin der Antragstellerin und ihrem Sohn ...

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