Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Zurückverweisung gem § 159 Abs 1 Nr 2 SGG. wesentlicher Verfahrensmangel. unzulässiger Gerichtsbescheid des SG. ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter. Nichtvorliegen der Voraussetzungen: keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art. geklärter Sachverhalt. sich widersprechende medizinische Gutachten. Prüfung der Tatbestandsvoraussetzung des § 44 Abs 1 SGB 7. Verletzung des rechtlichen Gehörs. Anspruch auf faires Verfahren. Überraschungsentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen für eine Zurückverweisung an das Sozialgericht gemäß § 159 Abs 1 Nr 2 SGG, wenn das Sozialgericht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen durch Gerichtsbescheid entschieden hat.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stralsund vom 11. Dezember 2013 aufgehoben und die Sache wird zur erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Verfahrens an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Pflegeleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach den Vorschriften des Siebten Sozialgesetzbuches (SGB VII).

Die 1952 geborene Klägerin erlitt am 3. Juni 1995 einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall, als sie sich das rechte Sprunggelenk verletzte. Die Klägerin ist anerkannte Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 90; bei ihr sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen „B“, „G“ sowie „aG“ anerkannt. Zudem bezieht die Klägerin aus der gesetzlichen Rentenversicherung seit dem 1. Dezember 2006 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung; seit Mai 2007 ist bei der Klägerin durch ihre Pflegekasse die Pflegestufe I nach den Vorschriften des Elften Sozialgesetzbuches (SGB XI) zuerkannt.

Aufgrund der erlittenen Sprunggelenksverletzung wurde die Klägerin nachfolgend mehrfach operiert; bei den Operationen kam es zu mehrfachen Komplikationen sowie verzögerter Heilung.

Im März 1998 erhob die Klägerin erstmals vor dem Sozialgericht (SG) Stralsund - S 1 U 36/98 - Klage, mit der sie begehrte, ihr wegen gesundheitlicher Folgen ihres Arbeitsunfalles vom 3. Juni 1995 unter Anerkennung von Hüftgelenksveränderungen rechts als mittelbare Unfallfolge Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere Verletztenrente, zu gewähren. Die Klage wurde durch Urteil des SG Stralsund vom 15. Juni 2000 abgewiesen. Ihre hiergegen beim Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg-Vorpommern eingelegte Berufung - L 5 U 60/00 - nahm die Klägerin nach Einholung von Gutachten des Arztes für Psychiatrie Dr. F. und des Unfallchirurgen M. im Juni 2002 zurück.

Im Dezember 2003 erhob die Klägerin erneut Klage vor dem SG Stralsund mit dem Begehren, Leistungen nach den §§ 27 ff. des Siebten Sozialgesetzbuches zu erhalten. Grundlage der Klage war ein Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2003, mit dem die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalles (erneut) ablehnte. Durch Beschluss des SG vom 30. Januar 2007 wurde das Ruhen dieses Verfahrens () angeordnet, da die Höhe der streitigen Entschädigungsleistungen im Einzelnen erst nach Abschluss des nach wie vor nicht beendeten Heilverfahrens bestimmbar sei.

Mit einem am 24. April 2009 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben beantragte die Klägerin Pflegeleistungen aufgrund der gesundheitlichen Folgen ihres Arbeitsunfalles aus dem Jahr 1995. Die Beklagte zog zahlreiche medizinische Unterlagen von den die Klägerin behandelnden Ärzten bei und ließ zur Klärung der Frage, ob bei der Klägerin Pflege/Pflegegeld zu gewähren sei bzw. ob Hilflosigkeit der Klägerin im Sinne von § 44 SGB VII vorliege, ein fachorthopädisches Gutachten von Prof. Dr. M. von der orthopädischen Klinik R. erstatten. Zudem wurde der genannte Gutachter beauftragt, zur Höhe einer unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) im Rahmen der Prüfung der Gewährung von Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ebenfalls die Klägerin zu begutachten. In seinem Gutachten vom 8. Dezember 2009 stellte der Gutachter bei der Klägerin folgende Diagnosen:

1.

skoliotische Fehlstellung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen

2.

chronisch rezidivierendes Cervikalsyndrom bei Osteochondrose, Spondylose und Uncarthrose der unteren Halswirbelsäule mit Funktionseinschränkungen

3.

Osteochondrose und Spondylose der Brustwirbelsäule mit Funktionseinschränkungen

4.

rezidivierendes Lumbalsyndrom bei Osteochondrose und Spondylose der Lendenwirbelsäule mit Funktionseinschränkungen

5.

Acromioclavikulargelenksarthrose rechts

6.

Zustand nach Hüft-Totalendoprothese rechts wegen sekundärer Coxarthrose nach Morbus Perthes und mehrfacher Wechseloperationen

7.

Chondropathia patellae beidseits

8.

Arthrose des Großzehengrundgelenkes links

9.

Zustand nach Arthrodese der Sprunggelenke bis in den gesamten ersten Strahl...

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