Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. künstliche Befruchtung. Ehepaar -abschließende Regelung durch § 27a SGB 5. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 27a SGB 5 ist eine abschließende Regelung über die Leistungen der Krankenversicherung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft; daneben ist für eine ergänzende Prüfung des § 27 SGB 5 kein Raum.

2. Es ist nicht verfassungswidrig und insbesondere mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 GG vereinbar, dass § 27a Abs 1 Nr 3 SGB 5 verlangt, dass Personen, die Maßnahmen einer künstlichen Befruchtung zu Lasten der Krankenversicherung begehren, miteinander verheiratet sein müssen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte der Klägerin die Kosten einer In-Vitro-Fertilisation zu erstatten hat.

Die 1962 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Nachdem sie in den 80er Jahren zwei Kinder geboren hatte, leidet sie zwischenzeitlich aufgrund von zwei Operationen an einer sogenannten tubaren Sterilität, die eine Empfängnis auf natürlichem Wege unmöglich macht.

Seit mehreren Jahren lebt sie in fester eheähnlicher Gemeinschaft zusammen mit Herrn Roy K, der bei einer anderen Krankenkasse versichert ist. Das Paar hegte einen gemeinsamen Kinderwunsch und begab sich deshalb Ende 1997 in die Kinderwunschsprechstunde der Frauenklinik der Universität R, wo eine künstliche Befruchtung erörtert wurde.

Nachdem die Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern im März 1998 der Frauenklinik die Genehmigung zu einer In-Vitro-Fertilisation trotz Nichtbestehens einer Ehe des Paares genehmigt hatte, wurde diese Maßnahme am 16. Oktober 1998 bei der Klägerin in der Frauenklinik R durchgeführt. Die Klägerin wurde schwanger und hat am 08. Juni 1999 Zwillinge geboren.

Bereits mit Schreiben vom 20. Dezember 1997 hatte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für die beabsichtigte Maßnahme beantragt.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid ohne Rechtsmittelbelehrung vom 06. Februar 1998 mit der Begründung ab, Kosten für eine künstliche Befruchtung würden von der Krankenversicherung beim Vorliegen weiterer Voraussetzungen nur im homologen System, d. h. bei der Verwendung von Ei- und Samenzellen von Ehepartnern, übernommen. Eine etwaige Genehmigung der Ärztekammer ändere an dieser Entscheidung nichts, sie betreffe lediglich die Frage, ob die In-Vitro-Fertilisation durchgeführt werden dürfe, nicht die Frage der Kostenerstattung durch die Krankenkasse.

Mit dem hiergegen im Mai 1998 eingelegten Widerspruch hat die Klägerin geltend gemacht, es lägen alle Voraussetzungen des § 27a Sozialgesetzbuch -- Gesetzliche Krankenversicherung -- (SGB V) vor, nämlich Unmöglichkeit einer natürlichen Befruchtung, Erfolgsaussichten der künstlichen Befruchtung, gesundheitliche Voraussetzungen der Eltern und intensive vorherige ärztliche Beratung. Soweit die Beklagte den Anspruch daher wegen der fehlenden Verehelichung ablehne, sei kein rechtlich nachvollziehbarer Grund hierfür ersichtlich. Das Grundgesetz (GG) biete eine institutionelle Garantie des Rechtes zur Mutterschaft, welches auch für nichtverheiratete Frauen gelte. Insoweit müssten nichteheliche Gemeinschaften den Ehepaaren gleichgestellt werden, ansonsten würden nichteheliche Kinder benachteiligt.

Im Übrigen bedürfe es für die Kostenübernahme schon keiner Änderung des § 27a SGB V, denn dieser konstituiere nur die besondere Pflicht der Krankenkassen, bei Ehepaaren die In-Vitro-Fertilisation zu gewähren. Im Übrigen ergebe sich aber der Anspruch bereits unmittelbar aus § 27 SGB V, weil es sich um Heilbehandlung handele.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 1998, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugegangen am 18. November 1998, zurück und führte zur Begründung aus, die Regelung des § 27a SGB V sei eindeutig und lasse ihr keinen Handlungsspielraum. Die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift sei von ihr als Verwaltungsträger nicht in Frage zu stellen.

Mit ihrer daraufhin am 16. Dezember 1998 beim Sozialgericht (SG) Rostock erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung hat sie sich im Wesentlichen auf ihren Vortrag im Widerspruchsverfahren bezogen. Im Übrigen hat sie mitgeteilt, dass der Sachleistungsanspruch sich zwischenzeitlich durch Durchführung der Maßnahme und Eintritt der Schwangerschaft erledigt habe, es gehe nunmehr um Kostenerstattung nach § 13 SGB V. Insoweit hat sie Rechnungen der Frauenklinik R und Apothekenrechnungen zu den Akten gereicht, insgesamt einen Betrag von 6970,57 DM betreffend.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid vom 6.02.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. November 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die ihr durch die In-Vitro-Fertilisation entstandenen Kosten in Höhe von 6970,57 DM zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich zur Begründung auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden gestützt.

Das SG Rostock hat die Klage durch Urteil vom 16. November 2000 ...

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