Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Entlassungsentschädigung. ursächlicher Zusammenhang zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Abfindung

 

Orientierungssatz

1. Der Begriff der Entlassungsentschädigung gem § 143a Abs 1 S 1 SGB 3 ist denkbar weit und erfasst auch Ansprüche, die ihre Grundlage in einem Sozialplan haben (vgl LSG Hamburg vom 29.10.2014 - L 2 AL 65/13). Die unwiderlegbare Vermutung, dass die Abfindung beim Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Geldleistung in pauschaliertem Umfang auch Arbeitsentgeltanteile enthält, besteht auch im Falle der Zahlung aufgrund eines Sozialplans.

2. Die von § 143a Abs 1 S 1 SGB 3 vorausgesetzte ursächliche Beziehung zwischen dem Anspruch auf Entlassungsentschädigung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht immer dann, wenn der Arbeitnehmer ohne die Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Entlassungsentschädigung nicht erhalten hätte. Eine Ursächlichkeit zwischen der Vorzeitigkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Abfindungszahlung ist nicht erforderlich.

3. Die Vorschrift setzt nicht voraus, dass die Zahlung durch den Arbeitgeber selbst erfolgt. Auch eine Zahlung des neuen Arbeitgebers nach einem Betriebsübergang als Entlassungsentschädigung führt zum Ruhen des Anspruchs.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 18.06.2015; Aktenzeichen B 11 AL 26/15 B)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. April 2014 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld (Alg) in der Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. März 2011 wegen einer Entlassungsentschädigung ruhte.

Die 1956 geborene Klägerin war als Chemielaborantin seit 1978 bei einem Unternehmen des U. im regionalen Forschungs- und Entwicklungszentrum für Hautpflegeprodukte in B. beschäftigt. Anlässlich der im Rahmen von mit betriebsbedingten Kündigungen einhergehenden Umstrukturierungsmaßnahmen bis spätestens Ende 2010 geplanten Schließung des B. Werks wurde die Klägerin ab April 2010 in die U.-Zentrale nach H. versetzt, wo sie bei einem anderen Unternehmen des Konzerns als Data Manager Officer tätig war.

Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit anwaltlichem Schreiben vom 23. September 2010 zum 31. Dezember 2010 und gab später als Kündigungsgrund gegenüber der Beklagten an, dass sie nach ihrer Versetzung derartig gemobbt worden sei, dass ihr nach einer Vielzahl vergeblicher Gespräche mit unmittelbaren Vorgesetzten sowie dem Personalchef D. von ihrer behandelnden Ärztin - die dieses schriftlich bestätigte - zur Kündigung geraten worden sei. Sie habe aufgrund der Situation schnellstmöglich einen "Vergleich" erzielen müssen und habe sich mit U. Services auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2010 bei Freistellung für die verbleibende Zeit geeinigt.

Am ersten Tag der Freistellung von der Arbeitsleistung, dem 1. Oktober 2010, meldete die Klägerin sich mit Wirkung zum 1. Januar 2011 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.

U. D. zahlte der Klägerin eine Abfindung in Höhe von 61.590,38 EUR, die auf einem zwischen jener und dem Betriebsrat U. D. für den Standort B. geschlossenen Interessenausgleich und Sozialplan vom 14. Januar 2010 beruhte. Im Sozialplan war unter § 2 Ziffer 2.4 vereinbart worden, dass im Falle einer Eigenkündigung des Mitarbeiters innerhalb von zwölf Monaten nach der Versetzung ein Anspruch auf Zahlung von 75 % der ursprünglichen - also im Fall einer betriebsbedingten Kündigung aufgrund der im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen fälligen - Abfindungssumme gemäß § 4 Ziffern 4.3 und 4.4 unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen bestehe.

Nachdem die U. D. H. GmbH in der Arbeitsbescheinigung vom 15. Dezember 2010 gegenüber der Beklagten erklärt hatte, dass die arbeitgeberseitige Kündigungsfrist sechs Monate zum Monatsende betragen habe und eine arbeitgeberseitige Kündigung nicht erfolgt wäre, bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 6. Januar 2011 zunächst vorläufig und - nach weiterer Prüfung und Entscheidung, dass keine Sperrzeit festgestellt werde - mit Bescheid vom 12. Januar 2011 endgültig Arbeitslosengeld für 450 Tage für den Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2012 mit einem Leistungsbetrag in Höhe von täglich 50,92 EUR. Für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2011 wurde wegen Ruhens bei Entlassungsentschädigung nach § 143a Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der damals geltenden Fassung (alte Fassung (a.F.)) kein Arbeitslosengeld gewährt.

Gegen beide Bescheide hat die Klägerin, die wegen des späteren Antritts einer neuen Beschäftigung den ihr zugebilligten Arbeitslosengeldanspruch nicht voll ausschöpfte, am 7. Februar 2011 Widerspruch eingelegt und die Ansicht vertreten, bei der ihr ...

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