Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz für einen Nothelfer. gemeine Gefahr. Hilfeleisten. verbales Einwirken. Zeitpunkt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine gemeine Gefahr, die einen Unfallversicherungsschutz des Nothelfers begründet, ist gegeben, wenn sie der Allgemeinheit oder Öffentlichkeit droht, also beliebige Personen oder Sachen treffen kann, die in den Gefahrenbereich gelangen oder sich in ihm befinden; es genügt, wenn nur eine einzige Person in diesen Bereich gerät oder gefährdet erscheint. Die Gefahr muss akut und der drohende Schaden muss erheblich sein.

2. Hilfeleisten ist ein aktives Handeln zu Gunsten des Dritten mit dem Willen des Helfers, die bestehende oder drohende Gefahr oder den Schaden zu beseitigen oder zu mindern.

3. Versicherungsschutz des Helfers besteht nur, soweit der Angriff in einem besonders engen sachlichen, örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Hilfeleistung steht und deshalb der Hilfeleistung zuzurechnen ist.

 

Normenkette

SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a, c, § 8 Abs. 1; SGG § 54 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1, §§ 65a, 90

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger auch seine notwendigen außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung eines Arbeitsunfalls.

Mit Schreiben vom 7. Februar 2015 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Leistungsantrag. Er teilte mit, dass er sich am 19. Januar 2015 in einem Regionalzug von H. nach L. befunden habe. Im Großraumwagen habe er einen Mann (im Folgenden: T.) bemerkt, der nacheinander mehrere Frauen mit einem brennenden Feuerzeug bedroht habe. Die Frauen hätten daraufhin nach und nach den Großraumwagen verlassen. Als der Mann dann ein Blatt Papier angezündet und die Gefahr bestanden habe, dass er es auf eine Frau werfen könne, die mit dem Rücken zu ihm gesessen habe, habe er ihn aufgefordert, dies zu unterlassen. Der Mann habe ihm dann als Reaktion mehrere Faustschläge in das Gesicht und an den Hinterkopf versetzt. Er habe unter anderem auf der rechten Gesichtshälfte einen Jochbeinbruch erlitten. Ein Hauptnerv, der sich unter dem rechten Auge befinde und die rechte Gesichtshälfte kontrolliere, sei beschädigt worden und er leide unter weiteren Verletzungen.

Die Beklagte zog die Ermittlungsakte der Bundespolizeiinspektion K. und des Bundespolizeireviers L. bei. Die Zeugin S. führte gegenüber der Polizei aus, dass ihr der Täter durch das laute Aufsagen von kurzen Versen aufgefallen sei. Der Kläger habe auf Englisch zu ihm gesagt, dass er das Feuerzeug ausmachen solle. Sie habe gesehen, dass T. sich die Feuerzeugflamme an seine Hand und an den Sitz gehalten habe. Ein Mann vom Reinigungspersonal des Zuges sei von dem Kläger dann auf die Zündelei des T. mit der Bitte aufmerksam gemacht worden, etwas zu unternehmen. Als dieser gegangen sei, ohne etwas zu unternehmen, sei T. aufgesprungen und habe brutal auf den Kläger eingeschlagen.

Die Zeugin J. erklärte, dass T. moralisierend vor sich hin geredet habe. Es seien mehrere Fahrgäste aufgestanden und hätten das Abteil gewechselt. Nachdem niemand mehr T. gegenüber gesessen habe, habe das Reden aufgehört. Das nächste, was sie wahrgenommen habe, sei gewesen, dass der ältere Herr dem T. laut und fordernd zugerufen habe, er könne hier nicht zündeln. Sie habe sich dann umgeschaut und gesehen, wie T. ein Feuerzeug in der Hand gehalten, entzündet und mit der anderen Hand durch die Flamme gestrichen habe. Geraume Zeit später, es dürften etwa 5 Minuten gewesen sein, sei ein Reinigungsmitarbeiter der D. Bahn erschienen. Das spätere Opfer habe diesen Herrn angesprochen und ihn aufgefordert, T. das Feuerzeug abzunehmen. T. habe danach nicht mehr mit dem Feuerzeug gespielt und es auf die Fensterbank gelegt. Als der Reinigungsmitarbeiter sich ohne weiteren Handlungsplan entfernt habe, sei T. unmittelbar danach aufgestanden, auf den älteren Herrn zugegangen und habe ihn angesprochen, warum denn der Mitarbeiter sein Feuerzeug habe wegnehmen sollen. Dann habe T. unvermittelt mit der Faust auf den älteren Herrn eingeschlagen.

Die Zeugin M. gab an, dass T. ihr zuerst durch das "Herumtexten" aufgefallen sei. Eine Frau, die offenbar von dem Mann genervt gewesen sei, habe sich von diesem weg- und zu ihr hingesetzt. Zudem habe sie mitbekommen, dass ein vorbeikommender Mitarbeiter von den Fahrgästen gebeten worden sei, gegen diesen Mann, welcher mittlerweile mit einem Feuerzeug herumgespielt habe, etwas zu unternehmen. Mehrere Fahrgäste hätten den Mann dann gebeten, das Feuerzeug wegzulegen. Dann sei alles sehr schnell gegangen. T. habe sich einem Mann genähert und auf diesen ohne Kontrolle eingeschlagen.

Der Kläger sagte gegenüber der Polizei am 6. Februar 2015 aus, dass T. vier Personen belästigt habe und er ihn daraufhin angesprochen habe, dieses zu unterlassen. T. habe die anderen Personen mit seinem Feuerzeug belästigt, indem er dieses ständig angezünd...

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