Entscheidungsstichwort (Thema)

Förderung der beruflichen Rehabilitation. Hochschulstudium

 

Orientierungssatz

Ein Anspruch auf berufsfördernde Leistungen steht nicht zu, wenn sich zurückschauend jedenfalls nicht feststellen lässt, dass es zumutbare Bildungsmaßnahmen außerhalb des Hochschulbereichs für den Behinderten im Zeitpunkt seines Studienbeginns nicht gab. Damit ist auch nicht feststellbar, dass die Aussichten auf eine vollständige und dauerhafte Eingliederung nur durch ein Studium wesentlich verbessert werden konnten.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 05.12.2001; Aktenzeichen B 7 AL 166/01 B)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte dem Kläger berufsfördernde  Leistungen zur Rehabilitation für ein Studium an der Universität H. zu  gewähren hat.

Der 1966 geborene Kläger besuchte bis 1983 die Realschule. Von 1989 bis  1991 erlernte er den Beruf eines Speditionskaufmanns. Das Versorgungsamt  Hamburg (Bescheid vom 5. November 1991) stellte bei ihm eine  Schwerhörigkeit beiderseits und einen Grad der Behinderung von 50 fest.

Seit April 1993 studierte der Kläger an der Universität H. im Fachbereich  Erziehungswissenschaften, Studiengang Sonderlehramt für Schwerhörige und  Gehörlose. Nach 13 Semestern meldete er sich im Sommer 1999 zum  Staatsexamen. Bis dahin erhielt er Leistungen nach dem  Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG), die nach seiner Darlegung in  Höhe von 700,-- DM monatlich gezahlt wurden. Im Juni 2000 bestand er die  Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Sonderschulen.

Im Mai 1996 hatte der Kläger bei der Beklagten die Bewilligung einer  Umschulungsmaßnahme als berufliche Rehabilitation beantragt, da er auf  Grund seiner Hörschädigung nicht mehr in der Lage sei, seinen erlernten  Beruf als Speditionskaufmann auszuüben. Im Januar 1997 stellte er einen  Rehabilitationsantrag auch bei der Bundesversicherungsanstalt für  Angestellte, die den Antrag an die Beklagte abgab, da die  versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 11 des Sechsten Buches  Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht erfüllt seien. Die Beklagte holte ein  ärztliches Gutachten vom August 1997 ein, in dem ausgeführt wurde, dass der  Kläger keine Tätigkeiten mehr verrichten könne, bei denen ein gutes  Hörvermögen notwendig sei, telefoniert oder in Großraumbüros gearbeitet  werden müsse. Hierauf erteilte die Beklagte dem Kläger den Bescheid vom 10.  September 1997, in dem sie ausführte, dass bei ihm Behinderungsauswirkungen  vorlägen, die Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation grundsätzlich  begründet erscheinen ließen, so dass dem Antrag dem Grunde nach  stattgegeben werde. Eine Förderung des seit 1993 laufenden Studiums sei  jedoch nicht möglich. Der Kläger erhob Widerspruch, den die Beklagte als  unbegründet zurückwies. Im Widerspruchsbescheid vom 7. Januar 1998 führte  sie aus: Ein Studium könne nur dann im Rahmen der beruflichen  Rehabilitation gefördert werden, wenn unter Berücksichtigung von Art und  Schwere der Behinderung nur auf diese Art und Weise die Aussichten auf eine  vollständige und dauerhafte Eingliederung des Behinderten wesentlich  verbessert würden. Ferner würden Leistungen für eine berufliche Umschulung  in der Regel nur gewährt, wenn die Maßnahme bei ganztägigem Unterricht  nicht länger als zwei Jahre dauere, es sei denn, dass eine Eingliederung  nur durch eine längerdauernde Maßnahme erreicht werden könne oder die  Eingliederungsaussichten nur durch eine längerandauernde Maßnahme  wesentlich verbessert würden. Im vorliegenden Falle rechtfertigten Art und  Schwere der Behinderung kein Studium. Den gesundheitlichen Störungen könne  hinreichend durch Umschulungsmaßnahmen, die die Höchstdauer von zwei Jahren  nicht überschritten, Rechnung getragen werden.

Der Kläger hat am 26. Januar 1998 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg  erhoben. Er hat insbesondere ausgeführt, dass die Beklagte nicht dargelegt  habe, welche Alternativen (zum Studium) für ihn überhaupt möglich seien;  insoweit habe die Beklagte ihn auch nicht ordnungsgemäß beraten. Die  Beklagte hat erwidert, dass für den Kläger grundsätzlich Berufe der  Datenverarbeitung, Informatik, sowie zeichentechnische und  elektrotechnische Berufe, in Teilbereichen auch Berufe des  Gesundheitswesens und handwerkliche Berufe in Betracht kämen. Eine ganz  konkrete Aufstellung könne jedoch mangels durchgeführter weiterer  Eignungsabklärungen nicht erfolgen. Der Kläger sei auch nicht falsch  beraten worden; sie habe ihm genügende - von ihm dann nicht mehr  wahrgenommene -Beratungsangebote gemacht. Das Sozialgericht hat die Klage  durch Urteil vom 20. Januar 1999 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:  Die Beklagte habe den Förderungsantrag des Klägers zu Recht abgelehnt. Ein  Ermessensfehler liege nicht vor. Das Studium sei keine Maßnahme, die auf  die Behinderung des Klägers zugeschnitten sei; es sei keine Maßnahme für  Hörgeschädigte. Hätte er beim Studienbeginn im Jahre 1993 einen  Förderungsantrag bei der Beklagten gestellt, so hätte diese ihm unter  Berücksi...

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