Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Erstattungspflicht des Arbeitgebers nach § 128 AFG

 

Orientierungssatz

1. Im Rahmen von § 128 AFG ist die Bundesanstalt für Arbeit zum Erlaß von Teilregelungen befugt, die die Erstattungspflicht dem Grunde nach feststellen (Anschluß an LSG Stuttgart vom 8.10.1996 - L 13 Ar 2751/95 = E-LSG, Ar 129).

2. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut können Aufhebungsverträge nicht unter § 128 Abs 1 S 2 Nr 4 AFG subsumiert werden. Es ist nicht ausreichend, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung hätte beenden können, tatsächlich jedoch ein Aufhebungsvertrag abgeschlossen wurde (vgl LSG Stuttgart aaO).

3. Diese Auslegung verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz oder das Recht auf Freiheit der Berufsausübung aus Art 3 bzw Art 12 des GG.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob die Klägerin der Beklagten Arbeitslosengeld nebst Kranken- und Rentenversicherungsbeiträgen zu erstatten hat.

Die Klägerin, die bis 1971 als D G Gesellschaft mbH firmierte und seit 1972 ihren jetzigen Namen trägt, ist ein Unternehmen der Musikindustrie, das Tonträger-Compact-Discs, Musikkassetten, Schallplatten und Videos herstellt und vertreibt. Sie beschäftigt in ihrer H Zentrale ca. 350 Mitarbeiter.

Der am 1934 geborene Diplom-Kaufmann W Z (Z.) war seit 1958 bei der Firma D P und ab 1966 bei der Klägerin angestellt, zuletzt als interner Revisor. Im Frühjahr 1993 vereinbarten die Klägerin und Z. seine Pensionierung. Die Klägerin bestätigte am 16. März 1993 schriftlich, daß Z., der am selben Tag schriftlich zustimmte, im Zusammenhang mit einer geplanten Umstrukturierung zum 30. September 1993 in den Ruhestand treten werde und er eine Abfindung von 133.762,-- DM erhalte. Demgemäß endete das Arbeitsverhältnis des Z. bei der Klägerin mit Ende September 1993.

Am 24. September 1993 meldete Z. sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Im Formularantrag verneinte er Einschränkungen der Vermittlungsfähigkeit und insbesondere die Frage, ob ihm die letzte Tätigkeit zu schwer gewesen sei (z.B. aus gesundheitlichen Gründen); ebenso verneinte er die Frage nach dem Bezug bzw. einer Beantragung anderweitiger Sozialleistungen wie Krankengeld und Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Hierauf erhielt Z. ab 1. Oktober 1993 Arbeitslosengeld in Höhe von wöchentlich 681,60 DM von der Beklagten, die von diesem Tag an auch die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung trug. Vom 1. Oktober 1994 an hat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte dem Z. eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bewilligt.

Nach einer Anhörung (Schreiben der Beklagten vom 7. Oktober 1993, Antwortschreiben der Klägerin vom 27. Oktober 1993) erteilte die Beklagte der Klägerin den Bescheid vom 11. November 1993, mit dem sie feststellte, daß die Klägerin gemäß § 128 Arbeitsförderungsgesetz -- AFG -- verpflichtet sei, ihr -- der Beklagten -- das Z. gezahlte Arbeitslosengeld sowie die hierauf entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung ab 1. Oktober 1993 für längstens 624 Tage zu erstatten. Die Klägerin erhob Widerspruch, den die Beklagte als unbegründet zurückwies (Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 1994). Weiter erteilte die Klägerin der Beklagten eine "Abrechnungsentscheidung" vom 7. Juli 1994, mit der sie den Erstattungsbetrag für die Zeit vom 1. Oktober 1993 bis 30. Juni 1994 auf insgesamt 38.516,23 DM festsetzte (26.179,40 DM für gezahltes Arbeitslosengeld, 7.462,95 DM für Beiträge zur Krankenversicherung und 4.873,88 DM für Beiträge zur Rentenversicherung).

Die Klägerin hat am 20. Juli 1994 Klage erhoben. Das Sozialgericht hat Z. als Zeugen zu den Gründen für die Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses bei der Klägerin und zu seinem Gesundheitszustand während der Arbeitslosigkeit ab Oktober 1993 vernommen. Sodann hat es die Klage durch Urteil vom 6. August 1996 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Beklagte habe zu Recht die Erstattung des an Z. gezahlten Arbeitslosengeldes und der Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge dem Grunde nach und konkret in Höhe von 38.516,23 DM für die Zeit vom 1. Oktober 1993 bis 30. Juni 1994 verlangt. Die Erstattungspflicht der Klägerin ergebe sich aus § 128 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 AFG. Ein Ausnahmetatbestand komme nicht zur Anwendung. Es sei nicht ersichtlich, daß Z. ab 1. Oktober 1993 einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung im Sinne des § 128 Abs. 1 Satz 2 AFG (wie Krankengeld, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente) gehabt habe; er selbst habe eine Arbeitsunfähigkeit für die Zeit seiner Arbeitslosigkeit verneint. Die Klägerin könne sich auch nicht auf § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AFG berufen, wonach die Erstattungspflicht nicht eintrete, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung beendet habe; ein solcher Fall liege hier nicht vor, da das Arbeitsverhältnis mit Z. durch Aufhebungsvertrag beendet worden sei. Die Beklagte sei auch befugt gewesen, zu...

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