Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 30.04.1996; Aktenzeichen S-19/Ar-327/94)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. April 1996 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen Erstattungsbescheide, die die Beklagte auf der Grundlage des § 128 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) erlassen hat.

Die Klägerin ist ein Unternehmen der chemischen Industrie. In dem zu ihr gehörenden Werk K.-A. in W. war seit dem 1. Mai 1977 der am 15. September 1931 geborene G. B. (B.) als Chemiearbeiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag vom 28. September 1992 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 11.856,– DM zugunsten des Arbeitnehmers mit Wirkung zum 31. März 1993 beendet. In der Arbeitsbescheinigung vom 5. März 1993 gab die Klägerin an, daß bei Ablehnung des Aufhebungsvertrages durch den Mitarbeiter eine fristgemäße Kündigung aus betriebsbedingten Gründen ausgesprochen worden wäre.

Am 3. März 1993 meldete sich B. mit Wirkung zum 1. April 1993 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Diese Leistung bewilligte ihm die Beklagte ab 1. April 1993 in Höhe von wöchentlich 459,– DM, nachdem B. am 15. März 1993 die Möglichkeit des § 105 c AFG in Anspruch genommen hatte, das Arbeitslosengeld unter erleichterten Voraussetzungen zu beziehen. Seit dem 1. Oktober 1994 bezieht er eine Altersrente.

Nachdem die Beklagte der Klägerin Gelegenheit gegeben hatte, zu der beabsichtigten Geltendmachung eines Erstattungsanspruches nach § 128 AFG Stellung zu nehmen (Schreiben vom 10. Juli 1993), teilte sie ihr durch Bescheid vom 13. Oktober 1993 mit, die Klägerin sei dazu verpflichtet, der Bundesanstalt für Arbeit (BA) das an ihren ehemaligen Arbeitnehmer gezahlte Arbeitslosengeld sowie die hierauf entfallenen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung ab 1. April 1993 für längstens 624 Tage zu erstatten. Umstände für den Nichteintritt der Erstattungspflicht seien weder vorgetragen worden noch aus der Akte erkennbar. Trete hinsichtlich der festgestellten Erstattungspflicht eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen ein, werde darüber in einem gesonderten Bescheid entschieden. Die fällig werdenden Erstattungsbeträge würden jeweils in gesonderten Abrechnungsentscheidungen – bezogen auf den kalendermäßig abgelaufenen Zeitraum von drei Monaten seit der Entstehung des Erstattungsanspruchs – mitgeteilt. Mit Bescheid vom 2. Dezember 1993 teilte die Beklagte sodann mit, die Klägerin habe für den Abrechnungszeitraum vom 1. April 1993 bis 30. September 1993 insgesamt 17.487,88 DM (Arbeitslosengeld: 12.261,70 DM, Beiträge zur Krankenversicherung: 3.080,38 DM und Beiträge zur Rentenversicherung: 2.145,80 DM) zu erstatten. Der gegen den Bescheid vom 2. Dezember 1993 erhobene Widerspruch, mit dem die Klägerin auch die Aussetzung der Vollziehung des Erstattungsbescheides beantragte, blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 3. Januar 1994). Am 1. Februar 1994 begehrte die Antragstellerin gegen die Vollziehung der Erstattungsforderung beim Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main einstweiligen Rechtsschutz (Aktenzeichen: S-19/Ar-352/94.A). Das Verfahren endete am 28. Juli 1995 durch Vergleich vor dem Landessozialgericht (Aktenzeichen: L-10/Ar-944/94.A).

Bereits am 31. Januar 1996 erhob die Klägerin Klage zum SG. Sie machte geltend, wenn ältere Arbeitnehmer auf der Grundlage freiwilliger Ausscheidensvereinbarungen freigesetzt würden, so entspreche diese Maßnahme in ihrem materiellen Gehalt einer sozial gerechtfertigten Kündigung. Eine Erstattungspflicht scheide vorliegend deshalb aus, weil sie eine unzumutbare Belastung im Sinne des § 128 Abs. 2 Ziffer 2 AFG darstellen würde. Wenn die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf betriebsbedingten Umständen beruhe, die ältere wie jüngere Arbeitnehmer gleichermaßen treffen könnten, scheide die Auferlegung der Erstattung des Arbeitslosengeldes gerade der älteren freigesetzten Arbeitnehmer als willkürliche gesetzliche Differenzierung aus. Vorliegend habe die Beklagte keinerlei Prüfung wegen eines möglichen anderweitigen Sozialleistungsbezuges vorgenommen. Die Unterscheidung zwischen Grundlage- und Folgebescheid unterliege nicht der verwaltungstechnischen Gestaltungsfreiheit der Behörde.

Die Beklagte vertrat die Auffassung, die angegriffenen Bescheide entsprächen der Sach- und Rechtslage. Insbesondere sei den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts entsprochen worden seitens der Arbeitsverwaltung.

Das SG hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen G. B. im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 1995. Darüber hinaus hat das Sozialgericht Auskünfte bei der Bundesknappschaft eingeholt. Auf die Sitzungsniederschrift vom 12. Dezember 1995 sowie das Schreiben der Bundesknappschaft vom...

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