Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. anteiliger Vergütungsanspruch des Krankenhauses gegenüber der Krankenkasse bei Teilbarkeit der Krankenhausleistungen auch bei der Abrechnung mit Fallpauschalen. Begriff des Kostenträgers. Auslegbarkeit der Fallpauschalenvereinbarung. Ende der Mitgliedschaft. Nachgehender Leistungsanspruch. Sozialhilfeträger

 

Orientierungssatz

1. Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser aus § 109 Abs 4 S 2 SGB 5 steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung entsteht und auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16, 17 KHG zwischen Krankenkassen und Krankenhausträgern festgelegt wird (vgl BSG vom 22.11.2012 - B 3 KR 1/12 R = SozR 4-2500 § 109 Nr 28). Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse besteht allerdings nur, wenn und soweit sie dem Patienten gegenüber zur Sachleistung verpflichtet war. Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung (vgl BSG vom 20.11.2001 - B 1 KR 26/00 R = BSGE 89, 86 = SozR 3-2500 § 19 Nr 4 und BSG vom 18.5.2011 - B 3 KR 7/10 R = BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34). Das gilt nicht nur im Fall eines Kassenwechsels, sondern erst recht, wenn der Patient wie hier schlechthin aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausscheidet. Die Krankenkasse ist dann nur zu einer anteiligen Vergütung verpflichtet.

2. Etwas anders würde nur dann gelten, wenn eine Beschränkung ihrer Zuständigkeit auf einen Teil der Krankenhausbehandlung ausnahmsweise unzulässig wäre, weil der Krankenhausaufenthalt des Patienten oder die dabei durchgeführte Behandlung eine untrennbare Einheit bilden würden (vgl grundlegend BSG vom 20.11.2001 - B 1 KR 26/00 R aaO).

3. Auch mit Fallpauschalen abrechenbare Krankenhausleistungen sind als teilbare Leistungen anzusehen. Das gilt nicht nur für die nach Maßgabe des KHG und der Bundespflegesatzverordnung (juris: BPflV 1994) vertraglich vereinbarten Fallpauschalen, die bis zum 31.12.2003 galten (vgl dazu grundlegend BSG vom 19.9.2007 - B 1 KR 39/06 R = BSGE 99, 102 = SozR 4-2500 § 19 Nr 4), sondern auch für die im streitbefangenen Zeitraum anwendbaren Fallpauschalen auf der Grundlage von Diagnosis Related Groups (DRG).

4. Im Leistungserbringerrecht werden unter dem Begriff "Kostenträger" üblicherweise die Krankenkassen verstanden sowie die sonstigen Einrichtungen, Arbeitgeber oder Institutionen, die außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung für eine bestimmte Gruppe von Personen die Kosten medizinischer Leistungen übernehmen.

5. Allein mit dem mutmaßlichen Rechtsgedanken des § 9 FPV 2005 (juris: KFPV 2005), dass nämlich aus Vereinfachungsgründen die Fallpauschale vollständig gegenüber dem Leistungspflichtigen bei Aufnahme abzurechnen ist, lässt sich eine Zuständigkeit der Krankenkasse für eine ungeteilte Fallpauschale nicht begründen (entgegen LSG Essen vom 12.12.2011 - L 20 AY 4/11). Ein rein teleologisch begründetes Auslegungsergebnis verbietet sich bei Vergütungsregelungen, die grundsätzlich eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen sind. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (vgl § 17b Abs 2 S 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten, Unbilligkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese Mängel mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl BSG vom 12.7.2012 - B 3 KR 18/11 R = BSGE 111, 200 = SozR 4-5562 § 8 Nr 4 und vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R = BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2).

 

Normenkette

SGB V § 109 Abs. 4 S. 3, § 19; KHG § 17b Abs. 1 S. 10, Abs. 2 S. 1; KHEntgG § 7 S. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; FPV § 9; SGB XII § 25 S. 1, § 48 S. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 14.10.2014; Aktenzeichen B 1 KR 18/13 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zahlung weiterer 1.661,78 EUR für eine stationäre Behandlung. Dabei streiten die Beteiligten vor allem darüber, ob es sich bei DRG-Fallpauschalen um eine aufteilbare Abrechnungseinheit handelt und wie der Begriff "Kostenträger" in § 9 FPV 2005 auszulegen ist.

Der 1955 geborene W.N. (im Folgenden: Patient) wurde am 29. März 2005 mit der Diagnose Instabile Angina pectoris (ICD-10-Code: I20.0) als Notfall in der von der Klägerin betriebenen A. Klinik B. aufgenommen und dort bis zum 8. April 2005 stationär behandelt. Es wurde eine Behandlung bei Alkoholkrankheit durchgeführt.

Der Patient war bis zum 28. Februar 2005 bei der Beklagten als Bezieher von Arbeitslosengeld II krankenversichert gewesen. Zum 20. April 2005 wurde er wieder Mitglied bei ihr, wiederum als Bezieher von Arbeitslosengeld II. In der Zwischenzeit war er weder bei der Beklagten noch bei einer anderen Krankenkasse versichert und auch nicht erwerbstätig gewesen.

Bereits am 31. März 2005 hatte die Klägerin der Beklagten die ...

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