Entscheidungsstichwort (Thema)

Förderung der beruflichen Weiterbildung. Entziehung der Zulassung durch eine Zertifizierungsstelle. einstweiliger Rechtsschutz. Rechtsweg. aufschiebende Wirkung. Schiedsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Streitigkeiten über den Entzug der Zulassung eines Maßnahmeträgers und/oder der von ihm durchgeführten Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung durch die nach §§ 84, 85 Abs. 1 Satz 1 SGB III in Verbindung mit §§ 1, 2 der Verordnung über das Verfahren zur Anerkennung von fachkundigen Stellen sowie zur Zulassung von Trägern und Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach dem SGB III (Anerkennungs- und Zulassungsverordnung - Weiterbildung - ≪AZWV≫ vom 16. Juni 2004, BGBl. I S. 1100) anerkannten fachkundigen Stellen (Zertifizierungsstellen) sind öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Arbeitsförderung, für die gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 4 SGG der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist.

2. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen den durch eine Zertifizierungsstelle verfügten Entzug der Zulassung (Zertifikatsentzug) hat nach den für Eingriffsverwaltungsakte maßgeblichen Regelungen des § 86 b Abs. 1 SGG zu erfolgen, weil privatrechtlich organisierte Zertifizierungsstellen als Beliehene und damit als Behörden mit Verwaltungsaktbefugnis anzusehen sind und der Entzug der Zulassung ein Verwaltungsakt ist.

3. Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch ein staatliches Gericht sind nicht wegen einer vorrangigen Vereinbarung eines Schiedsverfahrens unzulässig. Dies folgt aus § 1033 ZPO.

4. Ein gegen den Entzug der Zulassung eingelegtes Rechtsmittel hat nach § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG muss erkennbar verfügt sein, wenn die aufschiebende Wirkung entfallen soll.

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Dezember 2008 aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass der mit Schreiben der Antragstellerin vom 30. September 2008 erhobene Widerspruch gegen den Zertifikatsentzug der Antragsgegnerin vom 15. September 2008 aufschiebende Wirkung hat. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Vollziehung des Zertifikatsentzugs rückgängig zu machen.

3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

4. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die am 30. Dezember 2008 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Dezember 2008 ist statthaft und zulässig (§§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) .

Für den Streit um die Entziehung einer Zertifizierung hat das Sozialgericht zu Recht den Rechtsweg zu den Sozialgerichten nach § 51 Abs. 1 Nr. 4 SGG als eröffnet angesehen. Denn es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Arbeitsförderung (siehe auch Niewald, in: Gagel, SGB III-Kommentar, § 84 Rn. 33, Stand: Dezember 2005). Unzutreffend aber hat das Sozialgericht seine örtliche Zuständigkeit angenommen, denn nach § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG war örtlich zuständig das Sozialgericht, in dessen Bezirk die Antragstellerin als juristische Person des Privatrechts zur Zeit der Antragstellung ihren Sitz hatte. Die Antragstellerin hat ihren Sitz jedoch nicht in Hamburg, sondern in W. in Bayern; örtlich zuständig war das Sozialgericht Regensburg. Gleichwohl kam im Beschwerdeverfahren nach § 98 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 17a Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) eine Verweisung nicht mehr in Betracht. Denn eine Entscheidung in der Hauptsache im Sinne des § 17a Abs. 5 GVG liegt auch vor, wenn diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangen ist und selbst dann, wenn die erstinstanzliche Entscheidung - wie hier - aus anderen Gründen den Antrag für unzulässig gehalten hat (siehe nur Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 57 Rn. 12; Lückemann, in: Zöller, ZPO-Kommentar, 27. Aufl. 2009, § 17a GVG Rn. 18).

Die Beschwerde der Antragstellerin ist auch begründet.

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 3. November 2008 ist der Sache nach auf die Feststellung gerichtet, dass der mit Schreiben der Antragstellerin vom 30. September 2008 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. September 2008 erhobene Widerspruch aufschiebende Wirkung hat; darüber hinaus geht es der Antragstellerin um die Aufhebung der Vollziehung des mit diesem Bescheid verfügten Zertifikatsentzugs. An die hiervon abweichende Fassung des auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Antrags ist das Gericht nicht gebunden (§ 123 SGG).

Der so zu verstehende Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist statthaft und zulässig. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Einstweiliger Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge