Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Hilfsmittel. Versorgung mit einer Flüssigsauerstoff-Langzeit-Therapie bei Vorliegen einer COPD- und Lungenemphysem-Erkrankung. Abgrenzung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation iSd SGB 9 und Leistungen der Krankenbehandlung iSd § 13 Abs 3a SGB 5. Voraussetzungen der Rücknahme einer Genehmigungsfiktion nach § 45 SGB 10

 

Orientierungssatz

1. Zur Abgrenzung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des SGB 9 und den Leistungen der Krankenbehandlung im Sinne des § 13 Abs 3a SGB 5 (vgl BSG vom 15.3.2018 - B 3 KR 18/17 R = BSGE 125, 189 = SozR 4-2500 § 13 Nr 41).

2. Die Versorgung mit einer Flüssigsauerstoff-Langzeit-Therapie bei Vorliegen einer COPD- und Lungenemphysem-Erkrankung gehört zum Bereich der Sicherung der Krankenbehandlung.

3. Die Voraussetzungen des mit einem ursprünglichen Leistungsantrag geltend gemachten Naturalleistungsanspruchs sind für die Rechtmäßigkeit des Eintritts der Genehmigungsfiktion ohne Belang. Es widerspricht der Regelung des § 45 Abs 1 SGB 10, für die Rücknahme einer nach § 13 Abs 3a SGB 5 fingierten Genehmigung nicht auf deren Voraussetzungen abzustellen, sondern auf die Voraussetzungen des mit dem ursprünglichen Leistungsantrag Begehrten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.06.2020; Aktenzeichen B 3 KR 13/19 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 11.7.2018 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht die Versorgung der Klägerin mit einer Sauerstoff-Langzeit-Therapie mit Flüssigsauerstoff.

Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin (geboren 1957) beantragte bei der Beklagten am 18.5.2016 die Bewilligung einer Sauerstoff-Langzeit-Therapie mit Flüssigsauerstoff und trug unter Vorlage eines ärztlichen Attests vor, sie leide an einer COPD IV und einem Lungenemphysem. Die begehrte Leistung bzw. Behandlung sei erforderlich, um ein Rechtsherzversagen, eine Schwächung der Atemmuskulatur sowie eine Inaktivitäts-Atrophie des muskulo-skelettalen Systems zu verhindern und die Lebensqualität sowie die Überlebensdauer zu verbessern.

Nachdem die verordnende Klink auf Anfrage der Beklagten in einer Stellungnahme vom 25.5.2016 auch eine Versorgung mit einem Sauerstoffkonzentrator für möglich gehalten hatte, holte die Beklagte unter dem 27.5.2016 eine Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) ein; die Klägerin wurde hiervon nicht unterrichtet. Der SMD kam am 27.5.2016 zu dem Ergebnis, dass die Versorgung mit einem Sauerstoffkonzentrator ausreichend sei.

Im Anschluss lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8.6.2016 den Antrag ab. Die medizinische Notwendigkeit zur Versorgung mit Flüssigsauerstoff bestehe nur in wenigen Ausnahmefällen. Nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen, der sozialmedizinischen sowie verwaltungsseitigen Prüfung könne die Sauerstoffversorgung qualitätsgleich auch durch einen Sauerstoffkonzentrator und ggf. eine mobile Sauerstoffversorgung sichergestellt werden. Eine Genehmigung für eine Versorgung mit Flüssigsauerstoff könne daher nicht erfolgen.

Die Klägerin legte am 16.6.2016 Widerspruch ein und machte unter Beifügung ärztlicher Atteste geltend, das vom Versorger gelieferte Gerät sei zu schwer. Da sie in ihrem Wohnhaus ständig mehrere Treppenstufen gehen müsse, könne sie den Stroller nicht alleine tragen. Somit sei sie in ihrer Mobilität eingeschränkt. Auch müsse sie öfter wegen ihrer zu betreuenden Mutter aus dem Haus. Das Befüllen eines Strollers am Konzentrator würde dann zu lange dauern. Auch sei das gelieferte Gerät sehr laut, was nachts störend sei.

Die Beklagte holte eine weitere Stellungnahme des SMD ein; dieser vertrat in der Stellungnahme vom 14.7.2016 weiter die Auffassung, dass eine Versorgung mit einem Konzentratorsystem ausreichend sei.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3.1.2017 zurück.

Die Klägerin stellte am 5.5.2017 im Hinblick auf § 13 Abs. 3a SGB V einen Überprüfungsantrag, den die Beklagte mit Bescheid vom 9.5.2017 zurückwies; der ursprüngliche Antrag sei am 18.5.2016 eingegangen; es sei am 8.6.2016 und damit innerhalb der Frist des § 13 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) entschieden worden.

Die Klägerin legte am 16.5.2017 erneut Widerspruch ein, den die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 27.7.2017 zurückwies.

Die Klägerin hat am 22.8.2017 Klage beim Sozialgericht für das Saarland (SG) erhoben.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 28.9.2017 die fiktive Genehmigung der Sauerstoff-Langzeit-Therapie mit Flüssigsauerstoff mit Wirkung für die Zukunft auf Grundlage von § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückgenommen und ausgeführt, die Klägerin könne ausreichend mit einem Sauerstoffkonzentrator versorgt werden.

Das SG hat mit Urteil vom 11.7.2018 die Beklagte verurteilt, die Klägerin mit der Sauerstoff-Langzeit-Ther...

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