Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts. grob fahrlässige unrichtige Angaben. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Nichtangabe einer Lebensversicherung. Begrenzung der Rückforderung auf den Betrag, der zu Beginn des Bewilligungszeitraums anzurechnen gewesen wäre

 

Leitsatz (amtlich)

Wird wegen des Vorhandenseins von anzurechnendem Vermögen die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen rückwirkend zurückgenommen, ist die Härteregelung des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB 2 dergestalt heranzuziehen, dass die Rückforderung auf den Betrag begrenzt wird, der sich zu Beginn des Bewilligungszeitraums als anzurechnendes Vermögen nach Abzug der Freibeträge ergeben hätte.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.04.2018; Aktenzeichen B 14 AS 15/17 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 21.04.2015 abgeändert und die Bescheide des Beklagten vom 10.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2011 insoweit aufgehoben, als der Beklagte gegen den Kläger damit einen Rückforderungsbetrag von insgesamt mehr als 5.342,07 € festgesetzt hat.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger 2/3 seiner außergerichtlichen Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rückforderung von Grundsicherungsleistungen nach dem 2. Buch des Sozialgesetzbuchs, Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.01.2007.

Der 1966 geborene Kläger beantragte am 25.11.2004 erstmals Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach den Bestimmungen des mit Wirkung zum 01.01.2005 in Kraft getretenen SGB II. Er bewohnte bereits damals als Alleinstehender eine Mietwohnung in seinem Elternhaus mit einer Wohnfläche von 40 qm, wofür er eine Kaltmiete von 150,00 € zuzüglich Nebenkosten und Heizkosten zahlte.

Mit Bescheid vom 01.12.2004 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20.12.2004 wurden ihm der Regelbedarf in gesetzlicher Höhe von damals 345,00 € zuzüglich Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) für den Leistungszeitraum 01.01.2005 bis 31.05.2005 in der Gesamthöhe von 582,00 € monatlich bewilligt, wobei als KdU ausgehend von kalten Nebenkosten in Höhe von anteilig 46,00 € und Heizkosten von anteilig 41,00 € sowie Kaltmiete in Höhe von 150,00 € insgesamt 237,00 € anerkannt wurden. In dem Antragsformular vom November 2004 waren ein Konto bei der L. mit der Konto-Nr. x. x. x. mit einem Guthaben von 1.656,83 € und Anteile aus einem “A..„-Fond mit einem damaligen Wert von 1.374,13 € angegeben. Auf die Frage in dem Antragsformular nach Kapitallebensversicherungen / privaten Rentenversicherungen wurde mit Grünstift das Kästchen mit der vorgegebenen Antwort “nein„ angekreuzt.

Mit Bewilligungsbescheid vom 23.05.2005 wurden dem Kläger für den Leistungszeitraum 01.06.2005 bis 30.11.2005, mit Bewilligungsbescheid vom 22.11.2005 für den Leistungszeitraum 01.12.2005 bis 31.05.2006, mit Bewilligungsbescheid vom 16.05.2006 für den Leistungszeitraum 01.06.2006 bis 30.11.2006 und mit Bewilligungsbescheid vom 15.11.2006 für den Leistungszeitraum 01.12.2006 bis 30.05.2007 Leistungen in gleicher Höhe jeweils weiterbewilligt. Mit Aufhebungsbescheid vom 26.01.2007 wurden die Leistungen ab 01.01.2007 wegen Einkommenserzielung gemäß § 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 des 10. Buches des Sozialgesetzbuchs, Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) zunächst ganz aufgehoben. Mit Änderungsbescheid vom 13.02.2007 wurde der Bescheid vom 26.01.2007 sodann wieder teilweise für den Monat Januar 2007 aufgehoben und dem Kläger nach der Vorlage von Einkommensbescheiden unter Berücksichtigung des anzurechnenden Einkommens für den Leistungszeitraum 01.01.2007 bis 31.01.2007 Leistungen in Höhe von 131,21 € bewilligt.

In der Folge nahm der Beklagte (damals noch: ARGE Ne.) mit mehreren Rücknahme- und Erstattungsbescheiden vom 16.07.2008 die Leistungsbewilligungen bezüglich der Jahre 2005/2006 teilweise zurück und verlangte in Höhe der Rücknahme jeweils die Erstattung der überzahlten Leistungen wie folgt:

- nach Vorlage von Jahresbescheinigungen der L. mit Nachweisen über Kapitalerträge wurden die Leistungen für den Leistungszeitraum 01.01.2005 bis 31.01.2005 in Höhe von 37,40 € zurückgenommen; hierbei wurden Vermögenswerte des Klägers in Höhe von insgesamt 8.387,40 € bei einem Freibetrag von damals 8.350 € berücksichtigt, und zwar die A..-Fondsanteile mit 1.347,13 € und Guthaben aus 3 Sparkonten bei der L. in Höhe von 7.040,27 €;

- wegen Kapitalerträgen bei der L. aus dem Jahre 2005 in Höhe von 83,93 € (abzüglich eines Freibetrages von 30,00 €) wurden die Leistungen für den Leistungszeitraum 01.12.2005 bis 31.12.2005 in Höhe von 53,93 € zurückgenommen;

- wegen Kapitalerträgen bei der L. in Höhe von 103,28 € für 2006 (abzüglich eines Freibetrages von 30,00 €) wurden die Le...

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