Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Merkzeichen B. Kind. Mukoviszidose

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Vergabe des Merkzeichens "B" an Kinder sind die selben Kriterien wie bei Erwachsenen mit den gleichen Gesundheitsstörungen maßgebend.

2. Bei einem schwerbehinderten Kind, bei dem bereits die Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" vorliegen und das an Mukoviszidose leidet, ist die Vergabe des Merkzeichens "B" deshalb gerechtfertigt, da das Kind an unkontrolliert auftretenden Hustenattacken, auch mit Blaufärbung, leidet und deshalb bei der Benutzung - vergleiche mit einer Anfallskranken - von öffentlichen Verkehrsmitteln auf fremde Hilfe angewiesen ist.

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 21. Juli 2003 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin auch die im Berufungsverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob bei der Klägerin die medizinischen Voraussetzungen für das Merkzeichen "B" gegeben sind.

Die am 1999 geborene Klägerin leidet an Mukoviszidose.

Am 04. September 2001 beantragte die Klägerin die Anerkennung einer Behinderung. Der ehemalige Beklagte, das Saarland, vertreten durch den Direktor des Landesamtes für Jugend, Soziales und Versorgung, forderte einen Befundbericht der Ärztin für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Dr. L.S., N., vom 19. September 2001 an, dem ein Kurzbrief des Prof. Dr. D., Universitätskliniken des Saarlandes, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Mukoviszidose(CF-) Zentrum H., beigefügt war.

Mit Bescheid vom 07. November 2001 stellte der damalige Beklagte bei der Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie die Voraussetzungen des Merkzeichens "H" fest.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 20. November 2001 Widerspruch ein mit der Begründung, ihr stehe das Merkzeichen "B" zu. Die Klägerin reichte einen weiteren Befundbericht der Ärztin Dr. L.S. vom 20. November 2001 zu den Akten. Der um Stellungnahme gebetene ärztliche Dienst des damaligen Beklagten vertrat am 10. Dezember 2001 die Auffassung, bereits rechtliche Gesichtspunkte legten fest, dass Kinder, die das vierte Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, alleine öffentliche Verkehrsmittel nicht benutzen dürften. Schon deshalb sei die Anerkennung des Merkzeichens "B" bei dem erst zwei Jahre alten Kind nicht möglich. Aber auch aus medizinischer Sicht lägen keine spezifischen Funktionsstörungen vor (Orientierungsstörung, Verlust beider Hände oder großer Teile der oberen Extremitäten).

Mit Bescheid vom 08. April 2002 wies der damalige Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung war ausgeführt, dass auch bei Säuglingen und Kleinkindern bei der Beurteilung der Notwendigkeit ständiger Begleitung dieselben Kriterien maßgebend seien wie bei Erwachsenen mit gleichen gesundheitlichen Gesundheitsstörungen. Dementsprechend sei zu beachten, ob bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig fremde Hilfe beim Ein- und Aussteigen oder während der Fahrt des Verkehrsmittels notwendig sei oder bereit sein müsse und ob Hilfen zum Ausgleich von Orientierungsstörungen erforderlich seien. Aus medizinischer Sicht seien keine spezifischen Funktionsstörungen gegeben, die die Vergabe des Merkzeichens "B" rechtfertigten.

Hiergegen hat sich die Klage vom 07. Mai 2002, beim Sozialgericht für das Saarland (SG) am 10. Mai 2002 eingegangen, gerichtet. Die Klägerin hat ursprünglich die Feststellung begehrt, dass bei ihr ein GdB von 100 sowie die Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "B" vorliegen. Sie hat dazu geltend gemacht, es widerspreche der Logik, wenn ihr, der Klägerin, das Merkzeichen "B" verweigert werde. Aufgrund ihrer Hilflosigkeit sei sie unabhängig von ihrem Alter bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zur Vermeidung erheblicher Gefahren auf fremde Hilfe angewiesen. Sie müsse aufgrund ihrer Erkrankung ohnehin bis zur Vollendung ihres vierten Lebensjahres unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr in Anspruch nehmen. Zu diesen krankheitsbedingten Terminen müsse sie von einem Elternteil begleitet werden. Ihre Eltern besäßen keinen PKW und seien auf die Inanspruchnahme des öffentlichen Nahverkehrs angewiesen. Eine ständige behinderungsbedingte Begleitung sei erforderlich, da nur dadurch gewährleistet werden könne, dass bei einem jederzeit möglichen Hustenanfall unverzüglich sachgerecht reagiert werden könne. Ohne die Begleitung von erwachsenen Personen sei sie einer erheblichen Gesundheitsgefährdung ausgesetzt. Im Übrigen liege neben der Mukoviszidose noch eine Fütter- und Gedeihstörung vor, die einen GdB von 100 rechtfertige.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Prof. Dr. D., H., vom 16. Januar 2003, das durch die am 05. März 2003 eingegangene Stellungnahme ergänzt worden ist. Der Sachverständige Prof. Dr. D. hat die Auffassung vertreten, dass e...

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