Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation. Minderung der Erwerbsfähigkeit. bisherige Tätigkeit. bisheriger Beruf. Verweisung

 

Orientierungssatz

1. Erwerbsfähigkeit iS von § 10 SGB 6 ist allein die Fähigkeit zur möglichst dauernden Ausübung der bisherigen beruflichen Tätigkeit in normalem Umfang. Dabei ist die bisherige Tätigkeit gerade nicht mit dem bisherigen Beruf iS der Erwerbsminderungsrenten identisch (vgl BSG vom 31.1.1980 - 11 RA 8/79 = BSGE 49, 263 = SozR 2200 § 1237a Nr 10).

2. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben können nicht mit der Begründung abgelehnt werden, die Erwerbsfähigkeit sei zwar für die bisherige Tätigkeit, nicht aber für Verweisungstätigkeiten gefährdet oder eingeschränkt (vgl BSG vom 11.9.1980 - 1 RA 47/79 = SozR 2200 § 1237a Nr 16).

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Der ... 1969 geborene Kläger schloss im Jahre 1989 eine Ausbildung zum Tischler ab. Bis Oktober 1993 war er als Möbelaufsteller beschäftigt. Von Oktober 1993 bis September 1997 war der Kläger Zeitsoldat. Im Anschluss daran nahm er eine Ausbildung zum Fahrlehrer auf, gab diese aber nach eigenen Angaben wegen Kniebeschwerden auf. Von Februar 2000 bis Oktober 2002 war der Kläger als Gebäudereiniger beschäftigt.

Am 4. September 2001 erlitt der Kläger einen Unfall, bei dem auch sein rechtes Knie in Mitleidenschaft gezogen wurde. Seitdem war er arbeitsunfähig. Unter Bezugnahme auf seine Knieverletzung beantragte der Kläger bei der Beklagten am 7. Mai 2002 die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wurde von der Beklagten festgestellt. Im Rahmen ihres Verwaltungsverfahrens zog die Beklagte ein sozialmedizinisches Gutachten des MDK Berlin-Brandenburg (Dr. W) vom 1. März 2002 bei. Als Diagnose wurde darin im Wesentlichen der Zustand nach einer mehrmaligen beidseitigen Meniskusoperation festgehalten. Der Gutachter gelangte zu der Beurteilung, dass der Kläger seine Tätigkeit als Gebäudereiniger auf Dauer nicht mehr ausüben könne, weil es dabei zu einer ständigen Überlastung beider Kniegelenke komme. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei erheblich gefährdet. Berufliche Reha-Maßnahmen würden dringend empfohlen. In einer prüfärztlichen Stellungnahme vom 22. Mai 2002 erklärte die Ärztin für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Dr. B, dass der Kläger im Wechsel der Haltungsarten für leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten belastbar sei. Zu vermeiden seien häufiges Bücken sowie Knien und Hocken. In seinem Lehrberuf als Tischler und auch als Reinigungskraft sei der Kläger nicht mehr belastbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe jedoch vollschichtige Belastbarkeit. Bedenken hinsichtlich der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bestünden aus ärztlicher Sicht nicht.

Mit Bescheid vom 27. Mai 2002 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab, weil der Kläger die persönlichen Voraussetzungen hierfür nach § 10 SGB VI nicht erfülle. Seine Erwerbsfähigkeit sei nicht erheblich gefährdet oder gemindert, weil er in der Lage sei, eine zumutbare Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2002 bestätigte die Beklagte diese Entscheidung. Zwar könne dem Kläger seine zuletzt ausgeübte Beschäftigung als Reinigungskraft aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zugemutet werden. Nach seinem beruflichen Werdegang sei er jedoch dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzuordnen, weil er zuletzt als Reinigungskraft eine ungelernte Beschäftigung ausgeübt habe. Damit sei seine Erwerbsfähigkeit weder erheblich gefährdet noch gemindert, denn er könne auf alle leidensgerechten ungelernten Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden.

Mit seiner am 6. August 2002 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er sei auf die Gewährung der beantragten Hilfe angewiesen, um mit seinem Knieleiden eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben zu können. Der Verweis auf den allgemeinen Arbeitsmarkt gehe fehl, weil unklar sei, was für eine Tätigkeit ihm überhaupt gesundheitlich zumutbar sei. Das Gutachten des MDK vom 1. März 2002 habe unzweideutig die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben empfohlen. Dementsprechend habe ihm auch seine Krankenkasse die berufliche Rehabilitation geraten.

Mit Urteil vom 12. Dezember 2002 hat das Sozialgericht Berlin der Klage stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Gewährung berufsfördernder Leistungen zur Rehabilitation/Teilhabe am Arbeitsleben unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Zur Begründung, wegen deren Einzelheiten auf die Gerichtsakte Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt: Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben - §§ 10 und 11 SG...

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