Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des MfS während Inhaftierung aufgrund von Spionagetätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Zeiten der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR, die mit Haftzeiten in der Bundesrepublik Deutschland (wegen Agententätigkeit) zusammenfallen, sind keine Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem iS des § 5 Abs 1 S 1 AAÜG, weil in ihnen keine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Haftzeit der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland (vor 1990) als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem festzustellen ist.

Die ... Klägerin, seit 1951 verehelichte G, war nach verschiedenen Beschäftigungen in der DDR -- von 1954 bis zum 7. April 1956 als Hauptsachbearbeiterin beim Ministerium für Kultur -- vom 8. April 1956 an inoffizielle hauptamtliche Mitarbeiterin der Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR. Als solche gehörte sie der Versorgungsordnung des MfS an. Offiziell wurde sie nach dem vorliegenden Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung jedoch als Angestellte des Ministeriums des Innern der DDR geführt, und zwar durchgehend bis zum 30. September 1987. Zu Beginn ihrer Tätigkeit für das MfS reiste sie in das "Operationsgebiet" Bundesrepublik Deutschland aus und war hier von November 1957 bis Februar 1959 als Sekretärin ..., von März 1959 bis Oktober 1964 als Sachbearbeiterin ..., und von November 1964 bis zum 23. April 1974 als Verwaltungsangestellte ... versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Enttarnung ihres Ehemannes ... G als Spion im Bundeskanzleramt und dessen Verhaftung wurde auch die Klägerin -- am 24. April 1974 -- verhaftet und befand sich in der Folgezeit nach ihrer rechtskräftigen Verurteilung bis zum 18. März 1981 durchgängig in der Justizvollzugsanstalt K-O in Haft. Nach der Haftentlassung setzte sie in der DDR ihre Tätigkeit für das MfS bis zum 30. September 1987 fort, zuletzt im Rang eines Oberstleutnants, und bezog vom 1. Oktober 1987 an eine Altersrente nach der Versorgungsordnung des MfS. Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland nahm die seit Dezember 1981 geschiedene Klägerin wieder ihren Geburtsnamen an.

Zwecks Überführung ihrer Ansprüche aus dem Sonderversorgungssystem des ehemaligen MfS in die gesetzliche Rentenversicherung stellte die Beklagte durch Bescheid vom 19. September 1995 für die Zeit vom 19. März 1981 bis zum 30. September 1987 die Zugehörigkeit der Klägerin zum Sonderversorgungssystem des ehemaligen MfS im Sinne von § 5 Abs. 1 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) sowie die Entgelte für diese Zeiten fest, die sie nach § 7 AAÜG unter das jeweilige Durchschnittsentgelt im Beitrittsgebiet absenkte (Überführungsbescheid nach § 8 Abs. 3 AAÜG). Zugleich wies sie darauf hin, dass diese Daten auch dem zuständigen Rentenversicherungsträger mitgeteilt worden seien. Sie dienten zur Neuberechnung der bisherigen Rentenleistung nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs (SGB) VI. Die Zeit der Inhaftierung vom 24. April 1974 bis 18. März 1981 sei nicht als Zugehörigkeitszeit zu bescheinigen, weil in dieser Zeit keine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden sei.

Mit dem Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen die Entgeltbegrenzung nach § 7 AAÜG sowie gegen die Nichtberücksichtigung der Zeit der Inhaftierung als Zugehörigkeitszeit. Diese Zeit sei keine Beitragszeit in der Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland. Vielmehr habe sie insoweit ausschließlich Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen unter gleichzeitiger Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des ehemaligen MfS erzielt. Dieses Arbeitsentgelt sei ihr auch für eine in dieser Zeit ausgeübte Beschäftigung oder Tätigkeit gezahlt worden. Sie sei nämlich verpflichtet gewesen, über die Umstände ihrer Haftverbüßung in rechtlich zulässiger Weise dem MfS zu berichten, und sei dem auch nachgekommen. Durch Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 1996 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der angefochtene Bescheid entspreche den gesetzlichen Vorschriften. Während der Haftzeit sei keine hauptamtliche Beschäftigung bzw. Tätigkeit für das MfS ausgeübt worden.

Im Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin (SG) legte die Klägerin unter Bezugnahme auf die vom Minister für Staatssicherheit Mielke erlassenen Richtlinien 2/68 und 2/69 "für die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im Operationsgebiet" dar, dass sie auch für den Fall einer Inhaftierung, Strafverfolgung und Strafverbüßung beauftragt gewesen sei, alle ihr den Umständen nach möglichen Erfahrungen und Erkenntnisse über die Tätigkeit der Abwehr-, Untersuchungs- und Justizorgane im "Operationsgebiet" zu sammeln, um sie nach Rückkehr in die DDR für das MfS aufzuarbeiten und zu übergeben. Dementsprechend habe sie sich verhalten. Für ihre auftragsgemäße Tätigkeit sei sie auch während ihrer Haftzeit vom MfS zugunsten ihres persönlichen K...

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