Entscheidungsstichwort (Thema)

Kürzung des Honorars eines Vertragszahnarztes wegen unwirtschaftlicher Behandlung bei Verstoß gegen Richtlinien zur Behandlung von Parodontopathien. Honorarkürzung. Beurteilungsspielraum. Ermessen. Eingeschränkte gerichtliche Kontrolle. Amtsermittlung

 

Leitsatz (redaktionell)

Verstößt ein Vertragszahnarzt gegen die “Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung”, so indiziert dies die Unwirtschaftlichkeit seiner Behandlungsweise. Die Prüfgremien müssen die Unwirtschaftlichkeit dann nicht in jedem einzelnen Behandlungsfall nachweisen.

 

Orientierungssatz

1. Die Kürzung des Honorars eines Vertragszahnarztes wegen unwirtschaftlicher Behandlung nach §§ 106 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 und Abs. 5, 72 Abs. 1 Satz 2 SGB 5 kann auch auf den Verstoß gegen Richtlinien gestützt werden.

2. Liegt ein Verstoß gegen solche Richtlinien, wie die Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung vom 07.12.1962, zuletzt geändert am 24.07.1998) vor, die in Nrn. 19 bis 26 auch Regelungen zur Behandlung von Parodontopathien enthalten, ist sowohl die Aufklärungs- und Beweispflicht des Prüfungs- und Beschwerdeausschusses, als auch des Gerichts verkürzt. Trotz der Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes muss nicht in jedem Einzelfall bewiesen werden, dass die Behandlungsweise des Vertragszahnarztes unwirtschaftlich war. Die Prüfgremien sind bei dieser Sachlage insbesondere nicht verpflichtet, in jedem Einzelfall zahnärztliche Nachuntersuchungen durchzuführen (Anschluss an BSG, Urteil vom 16. Juni 1993, 14a RKa 4/92). Bei einem festgestellten Verstoß gegen verschiedene Richtlinienbestimmungen in allen geprüften Fällen ist damit festzustellen, dass die Parodontose-Behandlungen in vollem Umfang unwirtschaftlich waren.

3. Ein Vertragszahnarzt, der im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung gegenüber den Prüfungsgremien behauptet hat, sich nicht an Einzelheiten zu erinnern und sich darauf beschränkt hat, das Vorgehen der Prüfgremien als gesetzwidrig zu erklären, wird nicht mehr gehört, wenn er im Laufe des Gerichtsverfahrens erstmals Angaben zur Behandlung einzelner Patienten gemacht hat. Ein Sachverhalt ist nämlich dann richtig und vollständig ermittelt, wenn der Beklagte zum Zeitpunkt seiner Entscheidung unter Beachtung des Amtsermittlungsgrundsatzes alle entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte ermittelt und diese seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat. Würden im Verwaltungsverfahren bewusst zurückgehaltene Tatsachen vom Gericht nachträglich einbezogen und darauf eine Aufhebung der Prüfbescheide gestützt, so würde der Ermessens- und Beurteilungsspielraum der Prüfgremien missachtet (Anschluss an BSG, Urteil vom 15. November 1995, 6 RKa 58/94).

 

Normenkette

SGB V § 106 Abs. 1, 2 Nr. 2 S. 4, Abs. 5; SGB X § 20; SGG § 54 Abs. 2 S. 2

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.06.2012; Aktenzeichen B 6 KA 78/11 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. September 2007 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine vom Beklagten im Wege der Wirtschaftlichkeitsprüfung verfügte Kürzung seines Honorars wegen nicht richtliniengemäßer Parodontosebehandlung bei 15 Versicherten im Zeitraum Mai bis Dezember 2000 in der Höhe von insgesamt noch 8.221,28 Euro.

Der Kläger ist seit April 1998 als allgemein tätiger Zahnarzt in einer Einzelpraxis im Bezirk B niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Am 20. November 2001 stellten die Beigeladenen zu 1) bis 3) einen “vorsorglichen„ Prüfantrag, weil die “Par-Abrechnungen„ des Klägers nicht den vertraglichen Bestimmungen bzw. Richtlinien für die systematische Befunderhebung und Behandlung von Parodontopathien entsprächen. Mit Schreiben vom 22. Januar 2002 spezifizierten die Beigeladenen zu 1) bis 3) ihren vorsorglichen Prüfantrag. Nunmehr werde gebeten, eine Überprüfung vorzunehmen. Betroffen seien die Abrechnungsmonate Mai bis Dezember 2000 bei insgesamt 15 Patienten.

Der Antrag wurde mit folgenden Feststellungen begründet:

- in den meisten Fällen gleichlautende Diagnose

- teilweise keine oder keine abgeschlossene Vorbehandlung

- teilweise konservative Behandlungen noch während der laufenden Parodontosebehandlung

- teilweise Falschansatz der Gebührennummern Ä 1, 105, 107

- Modellrechnungen ohne Datum

- teilweise P 200 für antagonistenlose Zähne

- teilweise keine Einzeichnung marktoter Zähne

- teilweise Parodontose nicht nachgewiesen

- häufig erfolgt nur einmal die Abrechnung der Gebührennummer 111

- teilweise Zahnersatz vor und während der Parodontosebehandlung

Am 10. Oktober 2002 brachte der Kläger im Rahmen seiner Anhörung schriftlich vor, eine Stellungnahme sei ni...

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