Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Familienversicherung. rückwirkende Beendigung. Gesamteinkommen. Überschreitung der Einkommensgrenze. Einkünfte aus Kapitalvermögen. Einkommensteuerbescheid. vorausschauende Betrachtung

 

Orientierungssatz

1. Allein die Gewährung von Gesundheitsleistungen durch Leistungserbringer wie Vertragsärzte und nichtärztliche Leistungserbringer iS der §§ 69ff SGB 5 hat regelmäßig weder zum Ziel noch zum Inhalt, das Bestehen einer Familienversicherung für die Krankenkasse gegenüber den Versicherten festzustellen. Es bedarf daher zur rückwirkenden Feststellung des Endes der Familienversicherung weder einer expliziten Aufhebungsentscheidung eines früheren Bescheides über die Familienversicherung noch einer Prüfung speziell der Rechtsgrundlagen der §§ 45ff SGB 10, die eine solche rückwirkende Aufhebung nur unter engen Voraussetzungen und Berücksichtigung von Vertrauensschutz erlauben (vgl BSG vom 7.12.2000 - B 10 KR 3/99 R = SozR 3-2500 § 10 Nr 19).

2. Maßgebend für das Gesamteinkommen im Sinne von § 10 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 5 ist, ob anhand der durchschnittlichen Verhältnisse in der Vergangenheit absehbar war, dass die Voraussetzungen für die Familienversicherung nicht mehr erfüllt sind (bzw waren). Auch bei der rückwirkenden Beurteilung ist daher die vorausschauende Perspektive einzunehmen, dh ausgehend von dem letzten verfügbaren Einkommensteuerbescheid. Spätere bis zur behördlichen Entscheidung ergangene Steuerbescheide bleiben unberücksichtigt, auch wenn sie den rückblickend zu bewertenden Zeitraum umfassen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 21. Februar 2017 aufgehoben und die Klage des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten vom 3. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2012 abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für die Ausgangs- und Berufungsinstanz nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die rückwirkende Beendigung der Familienversicherung für seine Ehefrau für die Zeit ab 31. Dezember 2006.

Der Kläger ist bei der Beklagten freiwillig versichertes Mitglied, die Beklagte führte seine Ehefrau seit 31. August 1992 als Familienversicherte.

Auf einem von der Beklagten übersandten Vordruck zur Prüfung der Familienversicherung, unterzeichnet am 23. Dezember 2004, waren die vorgedruckten Spalten, die sich mit den Einkommen der Ehefrau des Klägers befassten, handschriftlich durchgestrichen, auf dem folgenden Fragebögen, unterzeichnet am 24. März 2006, ließ der Kläger die entsprechenden Spalten offen. Die Beklagte bat den Kläger zur Klärung der beitragsfreien Mitversicherung der Familienangehörigen im März 2007 um Übersendung eines ausgefüllten Fragebogens zur Familienversicherung für die Zeit ab dem 1. März 2006. Auf dem daraufhin am 2. April 2007 eingereichten Fragebogen hatte der Kläger zwar unterschrieben, die entsprechenden Spalten für die Eintragung von Angaben betreffend seine Ehefrau, konkret deren Arbeitsverhältnis, selbständige Tätigkeit, Einkommen jedoch ebenfalls gar nicht ausgefüllt.

Im Rahmen der Bestimmung der Beitragshöhe für den Kläger als freiwilliges Mitglied bat die Beklagte ihn am 27. November 2007 um Übersendung eines Bescheides über die Einkommensteuer nebst einer aktuellen Einkommenserklärung. Der Kläger teilte daraufhin mit, er lebe von Erspartem, der Einkommenssteuerbescheid 2005 werde übermittelt, diejenige für das Jahr 2006 läge noch nicht vor (Schreiben vom 27. November 2007). Im Rahmen der Festsetzung von Mitgliedsbeiträgen zur freiwilligen Versicherung reichte der Kläger Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2005 (im November 2007) und 2006 (am 9. Juni 2008) bei der Beklagten ein.

Der Kläger reichte auf die Aufforderung der Beklagten vom 29. Mai 2009 zur Überprüfung der Familienversicherung zunächst den Einkommenssteuerbescheid 2007 vom 07. Januar 2009 ein, in dem beigefügten Fragebogen auch zu den Einkünften Familienangehöriger verneinte er die selbständige Tätigkeit seiner Ehefrau, die Spalten zu ihren regelmäßigen Einkünften waren leer. Auf dem weiteren von der Beklagten übersandten Fragebogen zur Überprüfung der Familienversicherung, unterzeichnet am 10. Juli 2009, war für die Ehefrau in der vorgesehenen Spalte zu den regelmäßigen Einkünften im Sinne des Einkommenssteuerrechts ein Strich gesetzt. Auf die weitere Aufforderung der Beklagten reichte der Kläger am 29. Juni 2010 den Einkommenssteuerbescheid 2008 vom 31. Juli 2009 ein. Beide Einkommenssteuerbescheide wiesen Einkünfte aus Kapitalvermögen für die Ehefrau aus, der Bescheid vom 07. Januar 2009 in Höhe von 11.287 €, für 2008, der Bescheid vom 31. Juli 2009 in Höhe von 10.035 €.

In dem Fragebogen zur Überprüfung der Familienversicherung, unterzeichnet am 26. Juni 2010, waren die Spalten zum Einkommen der Ehefrau offengelassen. Die Beklagte bat am 04. August 2010 um Mitteilung zu den Einkünften der Ehefrau im Rahmen einer auch rückwirkenden Prüfung ...

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