Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuordnung einer Tätigkeit eines freigestellten Betriebsratsmitgliedes zur knappschaftlichen Rentenversicherung. vorausgehende knappschaftliche Tätigkeit

 

Orientierungssatz

1. Selbst wenn der technische Fortschritt und der Einsatz technischer Hilfsmittel kräftesparende Erleichterungen mit sich gebracht haben, bestehen die besonderen Risiken im Bergbau und die damit einhergehenden Gefahren für die Gesundheit nach wie vor (vgl BSG vom 16.6.2015 - B 13 R 23/14 R = juris RdNr 28 und B 13 R 24/14 R = SozR 4-2600 § 134 Nr 3).

2. Für die Zuordnung einer Tätigkeit zur knappschaftlichen Rentenversicherung eines freigestellten Betriebsratsmitgliedes ist diese Tätigkeit allein maßgebend. Die Privilegierung der Zuordnung zur Knappschaft einer direkt vorausgehenden Tätigkeit, die eine knappschaftliche Arbeit iSd § 134 Abs 4 darstellte und aus der die Funktion eines freigestellten Betriebsrates heraus erworben wurde, bleibt daher nicht erhalten.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 11. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Versicherungszeit des Klägers vom 01. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2004, in der der Kläger Arbeitnehmer der inzwischen insolventen B GmbH (B S GmbH) und als solcher freigestelltes Betriebsratsmitglied war, der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen ist.

Der am 1955 geborene Kläger wurde am 03. Mai im VEB B J L als Schaltelektriker im Netzbetrieb G (Einsatzort Tagebau G) eingestellt. Ab dem 01. Januar 1984 war er im VEB Braunkohlewerk C im Tagebau G als Stationselektriker beschäftigt. Das VEB Braunkohlewerk C gehörte zum Braunkohlekombinat S; das Kohlefeld G war ein Teil der Braunkohlelagerstätte G.

Mit der Herstellung der staatlichen Einheit wurde eine Neuausrichtung des Braunkohletagebaus notwendig. Mehr als zwei Drittel der Tagebaukapazitäten mussten kurzfristig stillgelegt werden. Die BS GmbH ist aus dem Braunkohletagebau in der ehemaligen DDR als eigenständige, rechtsfähige Gesellschaft im Jahr 1994 hervorgegangen. Sie entstand mit Eintragung im Handelsregister am 15. Dezember 1994 (Amtsgericht Dresden HRB 10787) in einem mehrjährigen Umstrukturierungsprozess der ehemaligen Kombinate der DDR-Braunkohleindustrie in Kapitalgesellschaften nach Abspaltung aus der B GmbH in einen brandenburgischen und einen sächsischen Teil. Die als Treuhandunternehmen gegründete L B AG (LAG) wurde Anfang 1994 in einen weiter zu betreibenden - hier nicht relevanten - aktiven Teil und in einen auslaufenden, nach und nach stillzulegenden sowie zu sanierenden Teil aufgespalten (LBV mbH ≪LBV≫). Nach Verschmelzung der LBV mit der M V mbH (MBV) entstand die L, die als langfristige Plattform für die Organisation des Auslauf- und Sanierungsbergbaus diente. Die L ist ein Unternehmen des Bundes, das die Flächen des stillgelegten Braunkohletagebaus im Beitrittsgebiet saniert, wiedernutzbar macht und anschließend verkauft. Die Umsetzung der Maßnahmen erfolgt durch Unternehmen der privaten Wirtschaft. Die BS GmbH agierte als ein am Sanierungsprozess beteiligter Partner der L (vgl Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH - LMBV - (Hrsg): Zwei Jahrzehnte Braunkohlesanierung - Eine Zwischenbilanz, Senftenberg 2010, S 10, 27 ff, 34 ff, 84).

Der Kläger war nach der Herstellung der staatlichen Einheit zunächst ab 01. Juni 1991 zeitlich befristet in einer öffentlich geförderten Arbeitsmaßnahme (Projekt 692/91) mit den Aufgaben “E-Anlagen ≪Elektroanlagen≫, Elektronisch hochwertige Arbeiten„ beschäftigt. Die Rohkohleförderung aus dem Tagebau G wurde zum 31. Dezember 1992 eingestellt. Der Tagebau G war einer der letzten Zugbetriebstagebaue im Lausitzer Raum, bei dem jährlich 17,4 Mio qm Abraum und 6,5 Mio t Rohkohle gefördert wurde auf einer Tagebaufläche von 481,4 ha.

Mit Wirkung vom 01. Juni 1993 wurde der Kläger von der Gesellschaft (B GmbH) - der Rechtsvorgängerin der BS GmbH -, die von der Rechtsvorgängerin der L, der LBV, mit der Sanierung betraut worden war, als “VA ≪Vorarbeiter≫ Energieanlagenelektroniker AA ≪Außenanlagen≫„ für das vom Arbeitsamt gemäß § 249h Arbeitsförderungsgesetz (AFG) geförderte Projekt Nr 32 “Rückbau/Verschrottung G Maßnahme 02„ befristet bis 31. Mai 1996 eingestellt. Zu seinen Aufgaben im Fahr- und Freileitungsbau gehörte es, die Fahrleitung der mit Gleichstrom (2.300 Volt) betriebenen Abraumzüge mit Hilfe eines Fahrleitungsreparaturwagens zu warten, zu reparieren und - bei der alle zwei bis drei Tage erforderlichen Verlegung der Gleise - diese nachzuführen. Als Vorarbeiter stand er einer Arbeitskolonne von 15 Personen vor.

Vom 01. Oktober 1993 bis 2006 war der Kläger zunächst bei der B GmbH und nach Abspaltung Ende 1994 bei der BS GmbH als freigestelltes Betriebsratsmitglied tätig. Zu seinen Aufgaben gehörte ab diesem Zeitpunkt die Überwachung des Arbeitsschu...

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