Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Zuerkennung des Merkzeichens "aG"

 

Orientierungssatz

1. Die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung zur Zuerkennung des Merkzeichens "aG" darf nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden.

2. Für die Beurteilung einer Gleichstellung ist bei dem Restgehvermögen des Antragstellers anzusetzen. Die für den Nachteilsausgleich "aG" geforderte große körperliche Anstrengung ist gegeben, wenn der Betroffene bereits nach kurzer Wegstrecke erschöpft ist und Kräfte sammeln muss, bevor er weitergehen kann. Gradmesser hierfür kann die Intensität des Schmerzes oder die Luftnot nach dem Zurücklegen einer bestimmten Wegstrecke sein, vgl. BSG, Urteile vom 29. März 2007 - B 9a SB 1/06 R und vom 10. Dezember 2002 - B 9 SB 7/01 R.

3. Kann der Betroffene eine Wegstrecke von 100 bis 200 Metern mit Gehstützen innerhalb von fünf bis zehn Minuten zurücklegen, so hat er keinen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "aG".

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 12. April 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch nicht für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen “aG„ (außergewöhnliche Gehbehinderung).

Das damals zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales B - Versorgungsamt - (nachfolgend: Versorgungsamt) stellte zugunsten des 1942 geborenen Klägers mit Bescheid vom 26. Mai 2008 einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen “G„ (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) fest. Dem GdB lagen folgende Einzel-GdB zugrunde:

-

Harnblasenerkrankung in Heilungsbewährung (Einzel-GdB: 50),

-

degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit langanhaltenden Nervenwurzelreizerscheinungen und Funktionsstörungen nach ventraler Spondylodese L5/S1 (Einzel-GdB: 40),

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koronare Herzerkrankung, zwei Mal Ballondilatation eines Gefäßes, Angina pectoris (Einzel-GdB: 30),

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multipler Gelenksverschleiß (Einzel-GdB: 30),

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depressives Syndrom mit psychovegetativen Störungen (Einzel-GdB: 20),

-

obstruktive Atemwegserkrankung (Einzel-GdB: 20),

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Nierenfunktionseinschränkung (Einzel-GdB: 20),

-

Kniegelenksverschleiß, Verschleiß und Bewegungseinschränkung des linken Großzehengrundgelenkes (Einzel-GdB: 10).

Die Feststellung des Vorliegens unter anderem der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen “aG„ lehnte das Versorgungsamt ab.

Am 4. November 2008 ging bei dem Versorgungsamt ein Antragsformular mit den Begehren auf Feststellungen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen “aG„ und “RF„ (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) ein, den das Versorgungsamt nebst Akten an den mittlerweile zuständigen Beklagten weiterleitete. Der Beklagte holte einen Befundbericht bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. T vom 4. März 2009 und eine versorgungsärztliche Stellungnahme bei dem Versorgungsarzt G vom 6. April 2009 ein und lehnte den Antrag des Klägers vom 4. November 2008 mit Bescheid vom 15. April 2009 ab. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch holte der Beklagte eine versorgungsärztliche Stellungnahme der Versorgungsärztin S vom 14. Juli 2009 ein und wies den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 10. August 2009 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 2. September 2009 Klage erhoben, mit der er die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen “aG„ begehrt. Seiner Klageschrift hat der Kläger eine ärztliche Bescheinigung von Dr. T vom 31. August 2009 beigefügt. Während des Klageverfahrens hat der Kläger dem Sozialgericht Arztbriefe der Ärztinnen für Radiologie und Strahlenheilkunde Dres. C u. a. vom 16. Juni 2008 und des Röntgeninstituts vom 8. April 2010 sowie einen Befundbericht aus der orthopädischen Fachsprechstunde des O vom 3. August 2010 übermittelt.

Das Sozialgericht hat Befundberichte bei Dr. T 16. März 2010 und vom 18. März 2011 sowie bei dem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. M vom 8. November 2010 eingeholt und einen Arztbrief des O vom 11. Februar 2011 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 2. bis 13. Februar 2011 beigezogen.

Der Beklagte hat dem Sozialgericht versorgungsärztliche Stellungnahmen der Versorgungsärztin und Sozialmedizinerin Dr. H vom 7. Januar 2010 und vom 6. Mai 2010 sowie der Fachärztin für Chirurgie Dr. W vom 30. März 2011 übermittelt.

Das Sozialgericht hat die auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen “aG„ gerichtete Klage durch Urteil vom 12. April 2011 abgewiesen, weil sich den vorliegenden medizinischen Unterlagen die gesundheitlichen Voraussetzungen für das begehrte Merkzeichen nicht entnehmen ließen.

Gegen das ihm am 25. Mai 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. Juni 2011 Berufu...

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