Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Aufwandspauschale. Auseinandersetzung über die Richtigkeit oder Fehlerhaftigkeit einer Kodierung des Krankenhauses. Anlass zur Abrechnungsprüfung durch den MDK. Verwirkung

 

Orientierungssatz

1. Im Rahmen des § 275 Abs 1c S 3 SGB 5 sind keine Streitigkeiten gewollt, in denen die Beteiligten - bürokratieverursachend - nun mittelbare Auseinandersetzungen über die Richtigkeit oder Fehlerhaftigkeit einer Kodierung des Krankenhauses führen, indem möglicherweise Rechtsschutz zu der Frage in Anspruch genommen wird, ob das Krankenhaus nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles von den Krankenkassen die ihm entstandenen Kosten in Form der Aufwandspauschale beanspruchen kann (vgl BSG vom 22.6.2010 - B 1 KR 1/10 R = BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3).

2. Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundessozialgerichts: Nachdem die Klage vor dem BSG zurückgenommen wurde, ist dieses Urteil sowie das vorinstanzliche Urteil des SG Potsdam (S 7 KR 222/08) wirkungslos.

 

Normenkette

SGB V § 275 Abs. 1c, § 39

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit ist der Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale.

Die Klägerin ist Trägerin eines zugelassenen Krankenhauses. Dort wurde vom 01. bis zum 14. August 2007 die bei der Beklagten Versicherte K. stationär behandelt. Die Behandlung hatte der Facharzt für Orthopädie Dipl.-Med. T S am 09. Juli 2007 verordnet. Als Diagnose hatte er einen “Bandscheibenprolaps links (M51.2+LG)„ angegeben. Die Behandlungskosten stellte die Klägerin der Beklagten mit Abrechnung vom 20. August 2007 in Rechnung. Die Beklagte veranlasste eine Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Auf die Prüfanzeige des MDK vom 30. August 2007 übersandte die Klägerin mit Schreiben vom 05. Oktober 2007 den Krankenhausentlassungsbericht, den Operationsbericht und die Epikrise.

In seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 07. November 2007 teilte der MDK der Beklagten mit, dass der Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) “korrekt kodiert„ worden sei. Als Hauptdiagnose “sollte„ hingegen M43.16 (Spondylolisthesis: Lumbalbereich) statt M42.17 (Osteochondrose der Wirbelsäule beim Erwachsenen: Zervikalbereich) kodiert werden. Auf der Stellungnahme finden sich die weiteren Hinweise “DRG bleibt„. Dies sei das “Ergebnis der Sozialmedizinischen Stellungnahme in Rücksprache mit (dem) Neurochirurgen„.

Mit Schreiben vom 14. November 2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Behandlungsfall “medizinische Besonderheiten„ aufweise. Deshalb sei eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) durch den MDK veranlasst worden. Die gutachterliche Stellungnahme habe ergeben, dass nach den vorliegenden Unterlagen als Hauptdiagnose M43.16 kodiert werden sollte. Auf die DRG habe diese Änderung keinen Einfluss. Auf dieses Schreiben reagierte die Klägerin nicht. Die Rechnung wurde bezahlt.

Dem Verlangen der Klägerin nach Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 100 € trat die Beklagte entgegen. Sie teilte der Klägerin mit, dass die Regelung des § 275 Abs. 1c SGB V nicht auf die Leistungsfälle Anwendung fände, in denen infolge “einer schuldhaften Pflichtverletzung des Krankenhauses„ die Abrechnung hätte überprüft werden müssen„. Diese Ansicht decke sich mit der Position der Spitzenverbände der Krankenkassen.

Die Klägerin hat am 17. Juni 2008 Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, dass sie einen Anspruch auf Entrichtung der Aufwandspauschale in Höhe von 100 € habe. Die Prüfung der Abrechnung habe nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt. Der Anspruch scheitere nicht an einer “etwaigen falschen Kodierung„. Denn § 275 Abs. 1c SGB V setze kein Verschulden voraus. Die Norm sanktioniere allein und ausschließlich nur den Fall, dass eine Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt habe.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass sie den MDK habe einschalten müssen, weil die bis zur Schlussrechnung übermittelten Daten eine Unplausibilität mit den in der Schlussrechnung übermittelten Daten aufgewiesen habe. Im Rahmen der fachmedizinischen Fallberatung habe diese Unplausibilität nicht aufgeklärt werden können, so dass eine Einzelfallprüfung erforderlich geworden sei.

Mit Urteil vom 29. März 2012 hat das Sozialgericht Potsdam die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 100 € nebst 2 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 17. Juni 2008 zu zahlen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V erfüllt seien. Soweit das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 22. Juni 2010 (B 1 KR 1/10 R) die Regelung des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V einschränkend ausgelegt habe, stehe diese Rechtsprechung dem Anspruch der Klägeri...

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