Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Minderung der Unterkunfts- und Heizkosten durch Rückzahlung bzw Gutschrift nach Betriebskostenabrechnung auch bei Insolvenz des Leistungsempfängers. kein Verfügungsverbot. Rückzahlung nicht Teil der Insolvenzmasse. Pfändungsschutz. Herausrechnung eines Anteils für Haushaltsenergie nur bei isolierter Erfassung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Rückzahlungen aus Heiz- und Betriebskostenabrechnungen eines Vermieters mindern gem § 22 Abs 1 S 4 SGB 2 aF auch die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung eines Leistungsempfängers, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Solche Rückzahlungen fallen nicht in die Insolvenzmasse, da sie entsprechend § 54 Abs 4 SGB 1 Pfändungsschutz genießen.

2. Die Regelung des § 22 Abs 1 S 4 Halbs 2 SGB aF findet keine Anwendung, wenn nicht mit gebotener Sicherheit festzustellen ist, in welchem Umfang die tatsächlich entstandenen Kosten der Wärmeversorgung einerseits auf die Heizung, andererseits auf die Warmwasserbereitung entfallen sind.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.10.2012; Aktenzeichen B 14 AS 188/11 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juni 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Teilaufhebung der ihm bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).

Der 1979 geborenen Kläger, der mit Beschluss des Amtsgerichts H vom 13. September 2004 (54 XVII H 127 NZ) wegen einer leichten Debilität mit Entwicklungsverzögerungen und der Gefahr des sozialen Abstiegs in den Bereichen der Vermögens-, Behörden- und Wohnungsangelegenheiten unter Betreuung gestellt wurde, bezieht seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Über sein Vermögen hat das Amtsgericht H mit Beschluss vom 10. Juli 2007 (38 IK 177/07) mit Wirkung ab diesem Tag das Insolvenzverfahren eröffnet und eine Rechtsanwältin als Treuhänderin bestellt.

Am 10. Dezember 2007 reichte der Kläger beim Beklagten die Betriebs- und Heizkostenabrechnung seines Vermieters vom 3. Dezember 2007 hinsichtlich des Jahres 2006 ein. Die Berechnung der Heiz- und Warmwasserkosten beruhte zu jeweils 50 Prozent auf dem Wohnflächenanteil und dem Verbrauch. Für den Kläger ergab sich ein Guthaben in Höhe von 34,41 EUR. Auf die Überweisung des Vermieters wurde der Betrag in Höhe von 34,41 EUR dem Konto des Klägers am 17. Januar 2008 gutgeschrieben. Ohne vorherige Anhörung hob der Beklagte mit Aufhebungsbescheid vom 17. Dezember 2007 die zuvor durch den Bescheid vom 26. März 2007 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 2. Juni 2007 erfolgte Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung hinsichtlich der Zeit vom 1. Februar 2008 bis zum 29. Februar 2008 in Höhe von 34,41 EUR auf. Mit Änderungsbescheid vom 17. Dezember 2007, der ausdrücklich als Bestandteil des Aufhebungsbescheides bezeichnet wurde, kürzte der Beklagte die für den genannten Zeitraum bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung von zuvor 233,47 EUR auf 199,06 EUR. Den gegen beide Bescheide am 30. Januar 2008 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2008 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 14. März 2008 Klage erhoben. Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 15. Juni 2009 stattgegeben und sowohl den Aufhebungsbescheid vom 17. Dezember 2007 als auch den Änderungsbescheid vom selben Tage in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2008 aufgehoben, ohne die Berufung zuzulassen. Der Beklagte hat gegen die ihm am 9. Juli 2009 zugestellte Entscheidung am 27. Juli 2009 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Der Senat hat die Berufung mit Beschluss vom 27. August 2009 wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juni 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und die Leistungsakten des Beklagten, die vorgelegen habe und Grundlage der Entscheidung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Aufhebungsbescheid und der Änderungsbescheid vom 17. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2008 sind rechtmäßig.

Das Fehlen der Anhörung ist für die formelle Rechtmäßigkeit unschädlich. Gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 5 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst werden sollen. Bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts handelt es sich um solche Leistungen.

Die Bescheide sind auch mate...

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