Entscheidungsstichwort (Thema)

Kosten für Unterkunft und Heizung. Betriebskostenabrechnung. Betriebskostenguthaben. Änderungsbescheid. fehlender Erstattungsbescheid. Einkommen. Zufluss. Versicherungspauschale. Aufrechnung (unwirksam. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Guthaben aus Betriebskostenabrechnung. Abgrenzung Einkommen/Vermögen. Abzug der Versicherungspauschale. Zulässigkeit der Aufrechnung

 

Orientierungssatz

1. Eine Betriebskostenerstattung ist grundsätzlich als Einkommen leistungsmindernd zu berücksichtigen (Festhaltung LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.09.2006 - L 5 B 701/06 AS PKH; Vergleiche LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31.07.2006 - L 13 B 303/06 AS ER).

2. Zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist die vom BVerwG zur Sozialhilfe entwickelte Zuflusstheorie heranzuziehen, da die Regelungen der §§ 11ff SGB II im Wesentlichen den Bestimmungen des Sozialhilferechts entsprechen. Danach ist Einkommen das, was der Hilfebedürftige im laufenden Leistungsbezug dazu erhält, und Vermögen dasjenige, was er vor Beginn des Leistungsbezuges bereits hat (vgl BVerwG vom 18.02.1999 - 5 C 35/97 = BVerwGE 108, 296).

3. Eine Betriebskostenerstattung ist nicht deshalb als Vermögen anzusehen, weil durch die monatliche Zahlung eines Betriebskostenvorschusses ein Betrag angespart wird und nach Ablauf des Abrechnungszeitraumes so ein Guthaben bestehen kann. Da ein Betriebskostenerstattungsanspruch wie ein Steuererstattungsanspruch nicht freiwillig angespart wird, und die Freiwilligkeit des Ansparens für die Zuordnung der Auszahlung des Guthabens zum Vermögen oder Einkommen nach der Rechtsprechung des BVerwG maßgeblich ist, zählt die Betriebskostenerstattung zum Einkommen. Sie ist selbst dann als Einkommen zu berücksichtigen, wenn in dem Zeitraum, in dem die entsprechenden Betriebskostenvorschüsse entrichtet wurden, noch keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bezogen wurden.

4. Die Zulässigkeit einer Aufrechnung nach § 43 SGB II setzt vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben des Hilfeempfängers voraus. Die Aufrechnung dürfte daher in der Regel nur bei Aufhebungsbescheiden möglich sein, die auf § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X beruhen. Sie darf nur erklärt werden, wenn ein vollstreckbarer Erstattungsbescheid nach § 50 SGB X vorliegt.

 

Tenor

Unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten im Übrigen wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Februar 2006 geändert.

Der Bescheid des Beklagten vom 12. Juli 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2005 wird aufgehoben, soweit der Beklagte den Anspruch des Klägers auf Kosten für Unterkunft und Heizung für den Monat Juli 2005 um mehr als 63,13 Euro reduziert hat.

Der Beklagte wird verurteilt, die für den Monat August 2005 aufgerechneten 93,13 Euro an den Kläger auszuzahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers für das gesamte Verfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich im Wesentlichen gegen die Anrechnung eines Betriebskostenguthabens für das Jahr 2004 in Höhe von 93,13 Euro auf die vom Beklagten bewilligten Leistungen nach dem SGB II im Monat August 2005.

Der 1953 geborene Kläger bezog seit März 2004 Arbeitslosenhilfe. Die vom Beklagten für die Zeit ab Januar 2005 bewilligten Leistungen nach dem SGB II (unter anderem Bewilligungsbescheid vom 10. Juni 2005 für die Zeit von Juni bis November 2005) umfassten die Regelleistung sowie 228,56 Euro an Kosten für Unterkunft und Heizung.

In einer vom Vermieter des Klägers am 16. Juni 2005 für die Zeit von Januar bis Dezember 2004 erstellten Betriebskostenabrechnung wurde zu Gunsten des Klägers ein Betriebskostenguthaben in Höhe von 93,13 Euro berechnet; diesen Betrag behielt der Kläger bei Überweisung der Miete für Juli 2005 an seinen Vermieter ein. Für die Zeit ab August 2005 wurden um 3,67 Euro monatlich geringere Vorauszahlungen für Heiz- und Betriebskosten festgesetzt, was zu einer Minderung der Gesamtmiete von 237,56 auf 233,89 Euro führte. Hiervon machte der Kläger dem Beklagten am 12. Juli 2005 Mitteilung.

Mit Bescheid vom 12. Juli 2005 (“Änderung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch„) bewilligte der Beklagte für den Zeitraum 1. Juni 2005 bis 30. November 2005 folgende Leistungen, im Hinblick auf die Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) jeweils unter Abzug einer Warmwasserpauschale von 9 Euro:

Juni 2005:

573,56 Euro  

(345 Euro zzgl. 228,56 Euro KdU)

Juli 2005:

480,43 Euro

(345 Euro zzgl. 135,43 Euro KdU;

228,56 Euro minus 93,13 Euro = 135,43 Euro)

August bis November 2005:

569,89 Euro

(345 Euro zzgl. 224,89 Euro KdU)

Der Bescheid enthielt den Zusatz:

„Folgende Änderungen sind eingetreten: Änderung der Miete ab dem 1. Juli 2005, durch die Betriebskostenabrechnung haben Sie für den Monat Juli ein Guthaben von 93,13 Euro erhalten. Dieses Guthaben wird mit der Augustanweisung ...

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