Entscheidungsstichwort (Thema)

Künstlersozialversicherung. Künstlersozialkasse. Schätzung der Einkommensverhältnisse eines Künstlers. erneute Prüfung der Versicherungspflicht nach Feststellung der Versicherungsfreiheit bei konkreten Angaben zum voraussichtlichen künftigen Arbeitseinkommen

 

Orientierungssatz

1. Die Künstlersozialkasse darf die Einkommensverhältnisse eines Künstlers abweichend von dessen Angaben einschätzen, wenn diese nicht plausibel sind.

2. Hat die Künstlersozialkasse Versicherungsfreiheit nach dem KSVG festgestellt, besteht zu einer erneuten Prüfung der Versicherungspflicht nach dem KSVG nur Anlass, wenn der Künstler konkrete Angaben zu seinem voraussichtlichen künftigen Arbeitseinkommen macht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 02.04.2014; Aktenzeichen B 3 KS 4/13 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. September 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

&7623 Die Beteiligten streiten um die Versicherungsfreiheit der Klägerin nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG).

Die als bildende Künstlerin tätige, 1959 geborene Klägerin unterliegt seit 1986 der Versicherungspflicht nach dem KSVG (Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 1986). Ausweislich ihrer Einkommensteuerbescheide erzielte sie in den Jahren 2002 bis 2009 Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in folgender Höhe:

Veranlagungszeitraum

Bescheid vom

Einkünfte aus selb-

ständiger Tätigkeit

2002   

6. Oktober 2003

1.713,00 €

2003   

28. Juni 2004

- 5.485,00 €

2004   

11. Juli 2005

- 6.464,00 €

2005   

1. September 2006

- 3.635,00 €

2006   

22. Mai 2007

- 2.498,00 €

2007   

24. Juli 2008

5.074,00 €

2008   

16. Oktober 2009

8.429,00 €

2009   

22. Juni 2010

- 5.565,00 €

Nach Anhörung der Klägerin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 20. März 2007 fest, dass die Klägerin ab dem 1. April 2007 versicherungsfrei nach dem KSVG sei, da bei einem zu erwartenden Jahreseinkommen für das Kalenderjahr 2007 von weniger als 3.900,00 € keine Versicherungspflicht bzw. Zuschussberechtigung bestehe. Derjenige Wert, den die Klägerin im Rahmen ihrer Vorauseinschätzung für 2007 angegeben habe, erscheine unter Berücksichtigung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2005 nicht plausibel. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2007 zurück.

Mit Beschluss vom 17. Juli 2007 (Az.: L 24 B 417/07 KR ER) stellte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Beklagten vom 20. März 2007 fest.

Während des Klageverfahrens hat die Klägerin auf eine Einkommensanfrage der Beklagten hin ihr voraussichtliches Jahresarbeitseinkommen 2008 mit 4.000,00 € beziffert (Schreiben vom 1. November 2007). Diese Angabe hat die Beklagte “vor dem Hintergrund des laufenden Klageverfahrens„ und dem Meldeverhalten der Klägerin in den Jahren 2002 bis 2005 nicht akzeptiert, daher für 2008 den Wert Null zugrunde gelegt und Beiträge nach dem Mindestwert berechnet (Schreiben vom 21. November 2007). Weitere Einkommensanfragen seitens der Beklagten für spätere Jahre erfolgten nach deren Vorbringen ebenso wenig wie entsprechende Einschätzungen der Klägerin.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 22. September 2010 die Klage abgewiesen, weil die Einkünfte der Klägerin in den Jahren 2002 bis 2006 nie die Geringfügigkeitsgrenze erreicht hätten und die Klägerin bis auf das Jahr 2002 durchgehend in der Verlustzone gearbeitet habe. Die Klägerin habe auch keine Umstände glaubhaft gemacht, dass gerade für 2007 eine andere Entwicklung zu erwarten sei. Die tatsächlichen Ergebnisse im Jahre 2007 seien zwar grundsätzlich irrelevant, bestätigten jedoch die Prognose der Beklagten. Ob die Darstellung der Klägerin glaubhaft sei, könne offen bleiben, auch wenn angesichts von 3 Ergebnisrechnungen mit jeweils völlig unterschiedlichen Werten erhebliche Zweifel bestünden. Auch für das Jahr 2008 sei keine günstige Prognose zu stellen. Ob dies für das Jahr 2009 anders zu beurteilen sei, habe die Kammer an dieser Stelle nicht zu entscheiden.

Gegen dieses ihr am 5. Oktober 2010 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 25. Oktober 2010, zu deren Begründung sie vorbringt: Das Urteil beruhe auf versehentlichen und absichtlichen Falschangaben der Beklagten zu ihren Steuerbescheiden und demzufolge zu ihren Einkünften. Die durch die Beklagte erstellte Prognose habe sich als falsch erwiesen. Die Jahre 2004 und 2005 seien nicht nur durch erhebliche Belastungen eines Atelierumzuges finanziell mit Verlusten versehen, sondern durch mehrere Atelierumzüge innerhalb Berlins belastet. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts seien die Ursachen dieser finanziellen Verluste für die Urteilsfindung nicht unerheblich. Das Sozialgericht habe in der Urteilsbegründung praktisch falsche Zahlen, Daten und Begriffe verwendet. Unklar seien außerdem die Herkunft dies...

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