Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Rentenversicherungsträgers gegen das Geldinstitut des Rentenberechtigten auf Rücküberweisung der nach dessen Tod zugeflossenen Rentenzahlbeträge

 

Orientierungssatz

1. Sind einem Bankinstitut nach dem Tod des Rentenbeziehers noch Rentenbeträge zugeflossen, so kann es sich auf den Auszahlungseinwand des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB 6 ab dem Zeitpunkt nicht mehr berufen, in dem es vom Ableben des Rentenempfängers weiß oder zu einer entsprechenden Prüfung Anlass hat (Anschluss BSG Urteil vom 3. 6. 2009, B 5 R 65/07 R).

2. Nach Kenntnis vom Tod des Rentenbeziehers darf die Bank Zahlungsaufträge zu Lasten dessen Kontos nicht mehr ausführen. Tut sie es dennoch, so geht das zu ihren Lasten.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. September 2014 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 789,45 € zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 789,45 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht in Streit, ob das beklagte Geldinstitut (rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts) verpflichtet ist, dem klagenden Rentenversicherungsträger zu Unrecht erbrachte Geldleistungen (Rentenzahlungen iHv 789,45 €) zurück zu überweisen.

Die 1928 geborene und 2011 verstorbene A H (im Folgenden: Rentenbezieherin) bezog von der Klägerin eine Witwenrente (nach ihrem 1929 geborenen und 1980 verstorbenen Ehegatten; Versicherungsnummer ; Zahlbetrag zuletzt für Juli 2011: 708,41 € monatlich) und eine Versichertenrente (Versicherungsnummer ; Zahlbetrag zuletzt für Juli 2011: 81,04 € monatlich). Beide Renten wurden auf ein bei der Beklagten errichtetes Girokonto der Rentenbezieherin überwiesen (Konto Nummer ), zuletzt für Juli 2011 mit Gutschriften vom 30. Juni 2011. Die Beklagte hatte seit dem 24. Juni 2011 (Todestag) Kenntnis vom Tod der Rentenbezieherin (vgl Auskunft vom 20. Juli 2011). Am 8. Juli 2011 hob der Sohn und Betreuer der Rentenbezieherin von dem Konto, das seinerzeit noch ein Guthaben iHv 7.221,03 € aufgewiesen hatte, 7.200,- € in bar ab und beantragte die Auflösung des Kontos, die zum 11. Juli 2011 erfolgte; auf die Umsatzübersicht vom 24. Juni 2011 bis 11. Juli 2011 (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 10. Mai 2012) wird Bezug genommen.

Am 14. Juli 2011 erhielt die Klägerin für beide Rentenzahlungen vom Rentenservice die Mitteilung, dass die Zahlung der Renten aufgrund des Todes der Rentenbezieherin eingestellt und die Rentenbeträge für Juli 2011 iHv 692,56 € bzw 79,23 € zu Unrecht gezahlt worden seien (insgesamt 771,79 €). Das Rückzahlungsverlangen des Rentenservice für beide Renten ging der Beklagten am 20. Juli 2011 zu. Mit Schreiben vom 31. August 2011 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die überzahlten Rentenbeträge für Juli 2011 iHv 771,79 € zurück zu überweisen. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2012 antwortete die Beklagte, dass das Konto von einem Berechtigten aufgelöst und geschlossen worden sei. Eine Erstattung komme daher mangels Guthabens nicht in Betracht.

Die Klägerin hat mit ihrer Klage zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie (die Klägerin) 789,45 € zu zahlen. Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 2. September 2014). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Beklagte könne sich auf den Auszahlungseinwand des § 118 Abs. 3 Satz 3 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) berufen, weil zum Zeitpunkt des Eingangs des Rückforderungsverlangens am 20. Juli 2011 über den entsprechenden Betrag bereits anderweitig verfügt worden und das Konto aufgelöst gewesen sei. Darauf, dass die Beklagte seinerzeit schon Kenntnis vom Tod der Rentenbezieherin gehabt habe (Bezugnahme auf Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 22. April 2008 - B 5a/4 R 79/06 R - juris), komme es nicht an.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Klägerin gegen dieses Urteil und stützt sich insbesondere auf Entscheidungen des BSG und der Instanzgerichte, wonach nach Kenntnisnahme des Kreditinstituts vom Ableben des Rentenbeziehers der Auszahlungseinwand des § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI nicht mehr zum Tragen komme. Die öffentlich-rechtliche Erstattungspflicht überlagere die zivilrechtlichen Verpflichtungen des Kreditinstituts aus dem Kontovertrag.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. September 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 789,45 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Gerichtsakte und die Rentenakten der Klägerin haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§ 153, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

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