Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlender Unfallversicherungsschutz bei Vorbereitungshandlungen zur Zurücklegung des Weges nach und von dem Ort der beruflichen Tätigkeit

 

Orientierungssatz

1. Zur Anerkennung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall ist regelmäßig erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist.

2. Zur versicherten Tätigkeit i. S. von §§ 2, 3 oder 6 SGB 7 zählt das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.

3. Als unversicherte Vorbereitungshandlungen zählen solche Verrichtungen, die der eigentlichen versicherten Tätigkeit vorangehen und/oder ihre Durchführung erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen. Diese sind trotz ihrer Betriebsdienlichkeit grundsätzlich dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnen.

4. Infolgedessen stellen Tanken, Inspektionen, Reparaturen oder beispielsweise auch das Anbringen einer Frostschutzfolie eine unversicherte eigenwirtschaftliche Verrichtung dar.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten. Der Klägerin werden Gerichtskosten in Höhe von 225,00 € auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt gegenüber der Beklagten die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.

Die 1956 geborene Klägerin klemmte sich am 01. Dezember 2010 gegen 06:40 Uhr beim Anbringen der Scheibenabdeckplane an ihrem Auto auf dem Parkplatz ihrer Arbeitsstelle in B den rechten Zeigefinger in der Beifahrertür ein, vgl. Unfallanzeige vom 08. Dezember 2010. Hierbei zog sie sich eine tiefe Fleischwunde und einen Bruch der Fingerkuppe des rechten Zeigefingers zu, vgl. Attest des Chefarztes der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. R vom 06. Dezember 2010. Die Beklagte lehnte die Anerkennung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall mit Bescheid vom 21. Dezember 2010 ab. Hiergegen erhob die Klägerin am 17. Januar 2011 Widerspruch und führte zur Begründung aus, ihr Unfall sei auf direktem Wege zur Arbeit, direkt vor ihrer Arbeitsstelle passiert. Demnach sei es ein Wegeunfall. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04. März 2011 als unbegründet zurück. Versichert seien nur die Tätigkeiten, die nach der Handlungstendenz rechtlich allein wesentlich auf die Zurücklegung des Weges zum Ziel ausgerichtet seien. Dazu gehöre in erster Linie die Fortbewegung auf das Ziel, unabhängig von der Art des benutzten Fortbewegungsmittels. Eingeschlossen seien auch die Maßnahmen, die unmittelbar auf den Antritt des Weges bezogen seien, z.B. auch ein unmittelbar vor Fahrantritt vorgenommenes Freimachen eines Fahrzeugs von Eis und Schnee. Hierunter fielen gerade nicht alle Verrichtungen, welche der Erhaltung der allgemeinen Fahrbereitschaft eines Kfz dienten. Versichert seien dementsprechend nur Maßnahmen, wenn sie unvorhergesehen erforderlich würden, um die Betriebsfähigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen, eine Zurücklegung des Weges ohne Behebung der Störung in angemessener Zeit auf andere Weise nicht möglich sei und die Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit nach Art und Zeitaufwand nicht in einem Missverhältnis zur Dauer des Weges im Ganzen stehe und die Tätigkeiten auf Maßnahmen beschränkt seien, die zur Fortsetzung des Weges notwendig seien. Ein solcher Tatbestand liege bei der Klägerin nicht vor. Vielmehr habe sie sich bei einer rein vorbereitenden, unversicherten Handlung verletzt.

Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 04. April 2011 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Sie habe die Abdeckplane auf dem Weg zur um 07:00 Uhr beginnenden Arbeit anbringen wollen, weil es Anfang Dezember 2010 heftig geschneit habe und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt herrschten, damit der niederschlagende Schnee nicht auf der warmen Frontscheibe festfror. Das Anbringen der Frostschutzplane habe der Verhinderung eines zeitintensiven Freikratzens der zugefrorenen und verschneiten Scheibe nach Dienstschluss gedient, sei also unmittelbar auf die betriebliche Tätigkeit gerichtet. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass der Unfall beim Schließen der Beifahrertür geschehen sei. Wenn von der Rechtsprechung z.B. der Zigarettenkauf auf dem Weg zur Arbeit mitversichert sei und das Einklemmen eines Fingers beim Schließen einer Fahrzeugtür beim Zigarettenkauf also auch versichert wäre, so könne sich in diesem Fall keine andere Bewertung ergeben.

Die Beklagte ist der Klage unter Bezugnahme eines Urteils des erkennenden Senats vom 03. November 2011 - L 3 U 7/09 - entgegen getreten, wonach allein schon das Einleiten eines Abbiegens zur Tankstelle durch Verlangsamung des Fahrzeugs und Setzen des Blinkers die Änderung der Handlungstendenz ausreichend manifestiere.

Das SG hat Ermittlungen zur Wetterlage im Zeitpunkt des Unfalls durchgeführt, wonach die Tageshöchsttemperatur am 01. Dezember 2010 laut Daten der Messst...

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