Entscheidungsstichwort (Thema)

Behindertenrecht. Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Bundesbeamter. Polizist. Arbeitsplatzgefährdung. Auflösung der Dienststelle. Umsetzung. kein Risiko eines schlechteren Arbeitsplatzes. kein ursächlicher Zusammenhang zwischen Behinderung und Umsetzung. Ziel der wohnortnahen Beschäftigung nicht ausreichend

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Gleichstellung eines schwerbehinderten Menschen, der als Bundesbeamter tätig ist.

 

Orientierungssatz

Zwar scheidet die Gleichstellung unkündbarer Beschäftigter nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht generell wegen deren Unkündbarkeit aus (vgl BSG vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R = BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4). Für den eigentlich vom Kläger verfolgten Zweck, eine höhere Punktzahl und damit Vorteile im Setzungsverfahren zu erreichen bzw eine Umsetzung (auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz) zu vermeiden, sieht das SGB 9 keine Gleichstellung vor.

 

Normenkette

SGB IX § 2 Abs. 3, § 73

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 7. März 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gleichstellung des Klägers mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).

Beim Kläger ist auf dessen Antrag vom 7. Oktober 2008 mit Bescheid des Landesamtes für Soziales und Vorsorge vom 11. bzw. 19. November 2008 aufgrund einer Sehbehinderung links ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt worden.

Der am1959 geborene, in N wohnende Kläger ist als Polizeihauptmeister bei der Bundespolizeiinspektion P als Kontroll-/Streifenbeamter tätig. Der Kläger ist Beamter auf Lebenszeit.

Zum 1. März 2008 trat eine Neuorganisation der Bundespolizei in Kraft. Zur personellen Umsetzung der Neuorganisation wurde zwischen dem Bundesminister des Innern und dem Bundespolizei-Hauptpersonalrat am 28. Mai 2008 eine Dienstvereinbarung geschlossen, die hierzu mehrere Schritte - u. a. ein sogenanntes Setzungsverfahren - vorsah, bei dem Sozialpunkte des Bediensteten bei Gleichstellung als Schwerbehinderter vorgesehen waren.

Sein Dienstherr teilte dem Kläger mit Bescheid vom 6. August 2009 mit, dass die für ihn ermittelten Dienstpunkte (neun) unter Zugrundelegung des Tagespendelbereiches für eine Setzung auf einen Dienstposten innerhalb der Bundespolizeiinspektion P nicht ausreichten.

Der Kläger beantragte bei der Beklagten am 22. Juni 2009 die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX. Zur Begründung führte er an, dass eine Umsetzung in bis zu 900 km entfernte Dienststellen geplant sei und er bei Gleichstellung als schwerbehinderter Mensch eine höhere Anzahl an Sozialpunkten erhalten könne, um eine Umsetzung zu vermeiden.

Nach Einholung einer Stellungnahme des Dienstherrn sowie einer Stellungnahme des örtlichen Personalrates und der der Schwerbehindertenvertretung lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gleichstellung mit Bescheid vom 9. September 2009 ab, da der Arbeitsplatz des Klägers nicht aus behinderungsbedingten Gründen gefährdet und er als Beamter zur Erhaltung seines Arbeitsplatzes nicht auf den Schutz der Gleichstellung angewiesen sei.

In dem dagegen erhobenen Widerspruch vom 30. September 2009 führte der Kläger zur Begründung an, dass auch das “Sicherermachen„ eines Arbeitsplatzes unter die Vorschrift des § 2 Abs. 3 SGB IX falle. Die Stellungnahme des Schwerbehindertenvertreters habe deutlich gemacht, dass mit einer Gleichstellung als Schwerbehinderter der vom Kläger innegehabte Arbeitsplatz sicherer gemacht werden könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie an, dass eine behinderungsbedingte Gefährdung des Arbeitsplatzes nicht gegeben sei. Die Regelung der Gleichstellung bezwecke den Schutz eines Behinderten vor einer ihm ungünstigen Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt. Diese trete nur dann ein, wenn der Arbeitsplatz verloren und der Behinderte auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ausweichen müsse. Der Kläger als Beamter sei einer derartigen Konstellation nicht ausgesetzt. Ausnahmefälle, für die die Gleichstellung eines Beamten auf Lebenszeit mit einem schwerbehinderten Menschen in Betracht zu ziehen sei, seien nicht gegeben, da dem Kläger weder aufgrund seiner Behinderung eine Versetzung in den Ruhestand drohe noch mit einer etwaigen Versetzung eine Herabstufung der Besoldung einhergehe.

Dagegen hat der Kläger am 20. Mai 2010 Klage zum Sozialgericht Neuruppin erhoben und sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Die Neuorganisation der Bundespolizei werde noch im ersten Halbjahr 2013 abgeschlossen. Er könne nach dem anzuwendenden Sozialpunktekatalog nur durch die Zuerkennung der Gleichstellung nach dem SGB IX weitere Sozialpunkte erhalten und nur bei einer höheren Anzahl von Sozialpunkten bei der Setzung in der...

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