Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. ständige Familienwohnung. Mittelpunkt der Lebensverhältnisse. sog Weg vom dritten Ort. Handlungstendenz. Ehefrau. Geliebte. Trennungsphase

 

Leitsatz (amtlich)

1.) Ein verheirateter Versicherter kann auch auf dem Weg von der Geliebten zur Arbeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen. Entscheidend ist der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse und nicht das förmliche rechtliche Band.

2.) In der Trennungsphase einer Ehe und der damit einhergehenden Verlegung des Lebensmittelpunktes beurteilt sich die Dauerhaftigkeit der Verlegung grundsätzlich durch einen vom Unfallzeitpunkt aus in die Zukunft gerichteten Blick (Anschluss an BSG vom 3.12.2002 - B 2 U 18/02 R = SozR 3-2700 § 8 Nr 13).

3.) Der Weg von der Geliebten zur Arbeit kann grundsätzlich auch nach den Kriterien der Rechtsprechung zum sog dritten Ort versichert sein. Entscheidend ist bei wertender Betrachtungsweise, ob mit dem Weg ein eigenwirtschaftlicher Besuch abgeschlossen wird (unversichert) oder die finale Handlungstendenz auf das Erreichen des Arbeitsortes gerichtet ist.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 7. März 2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2013 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 9. Mai 2012 um einen Arbeitsunfall handelt.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen

 

Tatbestand

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines tödlichen Wegeunfalls als Arbeitsunfall.

Die Klägerin ist die Witwe des im Jahr 1962 geborenen Versicherten M Z der seit Januar 1999 im Rahmen seiner Tätigkeit als Hausmeister bei der gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft N mit Sitz in der S in B bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert war. Seine Hausmeistertätigkeiten übte der Versicherte - ohne an feste Arbeitszeiten gebunden zu sein - in mehreren von ihm betreuten Mietobjekten im B Stadtgebiet, Ortsteil N, aus (Spromenade, Lstraße, Ostraße, Istraße, Bstraße, Bstraße, M Straße, S Straße) die er entweder mit seinem privaten Pkw oder mit seinem Motorrad ansteuerte. Zudem verrichtete er für die Wohnungsbaugenossenschaft diverse Besorgungen.

Am 9. Mai 2012 verunglückte der Versicherte gegen 8.30 Uhr bei einem Unfall in der G-Straße kurz hinter der Einfahrt zur Istraße in Fahrtrichtung zur Tstraße in B tödlich mit seinem Motorrad, als er mit einem aus einer Grundstückseinfahrt herausfahrenden Kleinbus kollidierte. Bei sich führte er diverse Schlüssel zu den von ihm betreuten Objekten.

Zum Unfallzeitpunkt lebte der Versicherte von seiner Ehefrau getrennt und führte eine Beziehung mit der Zeugin T G in deren Wohnung in der W Straße in B Behördlich gemeldet war der Versicherte in der Ehewohnung in der S in B.

Mit Schreiben vom 13. Juni 2012 zeigte der Arbeitgeber des Versicherten den Unfall bei der Beklagten an.

Mit Bescheid vom 13. Februar 2013, der dem Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 29. Mai 2013 übersandt wurde, ohne dass die Klägerin diesen zuvor erhalten haben will, lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass nicht nachgewiesen sei, dass es sich bei dem Unfall des Versicherten um einen gesetzlich versicherten Wegeunfall gehandelt habe. Nach Lage der Unfallstelle und Fahrtrichtung zur Unfallzeit habe die Möglichkeit bestanden, dass sich der Versicherte auf dem Weg zur Genossenschaft, zu einem der Betreuungsobjekte oder zur eigenen Wohnung befunden habe. Der Ausgangspunkt des Weges sei jedoch ebenso wie das Ziel völlig unklar. Anhaltspunkte hätten sich weder aus den Angaben des Arbeitgebers, noch aus den Akten der Staatsanwaltschaft ergeben.

Mit Schreiben vom 22. April 2013 teilte die Klägerin der Beklagten über ihren Verfahrensbevollmächtigten mit, dass ihr verstorbener Ehemann am 9. Mai 2012 auf dem Weg von der Wohnung seiner Freundin T G die - anders als zunächst angegeben - in der W Straße in B liegt, zu seinem Arbeitsort bzw. einem der von ihm betreuten Objekte verunglückt sei. Nach den ihr vorliegenden Informationen sei ihr Ehemann auf dem Weg in die Sallee gewesen.

Gegen den Bescheid vom 13. Februar 2013 legte der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 20. Juni 2013, per Fax abgesandt am 23. Juli 2013, Widerspruch ein. Die Klägerin habe den mit Schreiben vom 20. Februar 2013 versandten Bescheid vom 13. Februar 2013 nicht erhalten. Zur Begründung bezog er sich auf sein Schreiben vom 22. April 2013.

Die Beklagte schrieb daraufhin unter dem 29. Juli 2013 die Wohnungsgenossenschaft N Sallee, an und bat um Überprüfung des von der Klägerin geschilderten Sachverhalts. Der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin übersandte im Folgenden eine an ihn gerichtete E-Mail der Wohnungsgenossenschaft N ...

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