Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenberechnung. Gesamtleistungsbewertung. Bewertung von betragsfreien Zeiten. Hochschulausbildung. Fachschulausbildung. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Die sich nachteilig auswirkende Gesamtbegrenzung der Schul- und Hochschulausbildungszeiten durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz (juris: RVNG) stellt keinen Verstoß gegen das GG dar.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.04.2011; Aktenzeichen B 13 R 55/10 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 29. November 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob dem Kläger eine höhere Regelaltersrente wegen einer höheren Bewertung von Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung zu gewähren ist.

Der 1942 geborene Kläger bezieht seit dem 01. März 2007 Regelaltersrente (Rentenbescheid der Beklagten vom 05. Januar 2007). Der monatliche Zahlbetrag betrug 942,24 € bei 38,2294 persönlichen Entgeltpunkten - EP - (Ost). Die Beklagte berücksichtigte dabei die Zeit vom 02. September 1957 bis 31. August 1960 als Zeit der beruflichen Ausbildung mit Pflichtbeiträgen, die Zeit vom 01. November 1964 bis zum 31. August 1967 als Zeit der Schulausbildung (inklusive zwei Monaten Überbrückungszeit) und die Zeit vom 01. September 1967 bis zum 16. Juli 1971 als Zeit der Hochschulausbildung (Anlage 2, Seite 1 des Rentenbescheides). Bei der im Rahmen der Feststellung von EP für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten (Anlage 4, Seite 1 und 2 des Rentenbescheides) vorzunehmenden Grundbewertung wurden im belegungsfähigen Gesamtzeitraum (vom 02. September 1957= Beginn der ersten versicherungspflichtigen Beschäftigung bis 19. Februar 2007=Vollendung 65. Lebensjahr) 81 Monate als nicht belegungsfähige Kalendermonate angesetzt, so dass als belegungsfähig 513 Kalendermonate verblieben. Die von der Beklagten errechneten 38,2906 EP für die Grundbewertung (Anlage 4, Seite 1 des Rentenbescheides) ergaben, geteilt durch 513 Monate, einen Durchschnittswert für die Grundbewertung von 0,0746 Punkten. Diesen rechnete sie im Rahmen der “Bewertung beitragsfreier Zeiten„ (Anlage 4, Seite 3 des Rentenbescheides) für 36 Monate Schul- oder Hochschulausbildung (Zeitraum vom 01. November 1964 bis 31. Oktober 1967) als Anrechnungszeit zu 34,38 % (0,0256 EP) an, so dass sich für die beitragsfreien 36 Monate Schul- und Hochschulausbildung zusätzlich 0,9216 EP ergaben. Die Anrechnungszeiten wegen Schul- oder Hochschulausbildung, die über 36 Kalendermonate hinausgingen (hier 45 Kalendermonate Hochschulausbildung vom 01. November 1967 bis zum 16. Juli 1971), erhielten keine EP. Auf den Inhalt des Rentenbescheides vom 05. Januar 2007 wird im Übrigen Bezug genommen.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er sich gegen die Bewertung der 36 Kalendermonate Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung wandte; pro Monat seien nicht 34,38 % der Grundbewertung von 0,0746 EP, sondern 75 % davon anzurechnen, so dass sich eine höhere Rente ergäbe. Nach seiner Meinung seien die Neufassungen der §§ 74, 263 Abs. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes, auf denen die Berechnungen der Beklagten beruhten, verfassungswidrig. Denn sie stellten ihn schlechter als Versicherte mit einer Fachschulausbildung. Durch die gesetzliche Neuregelung würden zwei Gruppen von Normadressaten - Versicherte mit Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung einerseits, Versicherte mit Anrechnungszeiten wegen Fachschulausbildung und Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme andererseits - ungleich behandelt, obwohl beide Gruppen während der Ausbildung in der Regel keine Rentenversicherungsbeiträge gezahlt hätten. Der in der Begründung zum Gesetzentwurf genannte Sachgrund für die Differenzierung, wonach Absolventen von allgemein bildenden Schulen und Hochschulen in der Regel bessere Verdienstmöglichkeiten aufwiesen und deshalb überdurchschnittliche Anwartschaften erwerben könnten, so dass es vor dem Hintergrund demografischer Belastungen der Alterssicherungssysteme nicht länger Aufgabe der Versichertengemeinschaft sein könne, diese Zeiten zu “privilegieren„, spiegele die Realität nicht wider. Denn viele Hochschulabsolventen müssten aufgrund der angespannten Arbeitsmarktlage Arbeitsplätze annehmen, die in ihrer Vergütung nicht der akademischen Ausbildung entsprächen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2007 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen: Der Rentenversicherungsträger sei an die geltenden Gesetze gebunden. Eine eigene Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes durch die Behörde finde nicht statt.

Mit der am 31. Mai 2007 beim Sozialgericht Cottbus (SG) erhobenen Klage hat der Kläger mit der gleichen Begründung wie im Widerspruchsverfahren sein Begehren weiterverfolgt.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

den Bescheid der Be...

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