Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Gemeinschaftsrecht

 

Orientierungssatz

1. Durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wird ein sozialrechtlicher Zustand durch Vornahme einer Amtshandlung hergestellt. Er verschafft kein neues Recht. Er ermöglicht lediglich die Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger vornehmlich seiner Beratungspflicht in vollem Umfang nachgekommen wäre.

2. Der Herstellungsanspruch kann einen Versicherungsträger nur zu einem solchen Tun oder Unterlassen verpflichten, das rechtlich zulässig ist. In Fällen, in denen der durch pflichtwidriges Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann, bleibt für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Raum (BSG Urteil vom 11. 3. 2004, B 13 RJ 16/03 R).

3. Die Regelungen des überstaatlichen Rechts, u. a. in Art. 3 Abs. 1, 10 Abs. 1 S. 1 EWG-VO sehen keine Gleichstellung der ausländischen Pflichtbeiträge für die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bzw. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vor. Damit erfüllen solche Pflichtbeiträge in EU-/EWR-Mitgliedstaaten nicht die Voraussetzungen des § 111 Abs. 1 SGB 6.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 12.08.2019; Aktenzeichen B 13 R 15/19 BH)

 

Tenor

Die Beklagte wird gemäß ihres Teilanerkenntnisses verurteilt, dem Kläger die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe für die Zeit vom 1. November 2001 bis 31. Dezember 2001 zu leisten.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 3. Februar 2014 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu einem Drittel zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten im Wesentlichen höhere Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung unter Berücksichtigung und Bewertung weiterer rentenrechtlicher Zeiten und ohne Anrechnung von Einkommen sowie Beseitigung eines bei ihm eingetretenen Schadens.

Der im November 1958 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger, der seit 1995 in den N lebt.

Der Kläger absolvierte vom 1. August 1974 bis 28. Januar 1977 beim Fernmeldeamt W der D eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Fernmeldehandwerker. Vom 29. Januar 1977 bis 21. August 1977 war er dort als Fernmeldehandwerker beschäftigt; für die Zeit vom 22. August 1977 bis 31. Juli 1978 war er unter Verzicht auf die Lohnbezüge beurlaubt. Vom 1. August 1977 bis 31. Juli 1978 besuchte er die Fachoberschule für Technik der gewerblichen Schulen I der Stadt W mit dem Erwerb der Fachhochschulreife (Zeugnis vom 22. Juni 1978). Zum 1. August 1978 nahm er seine Beschäftigung beim Fernmeldeamt W der D wieder auf, wobei von seinem Arbeitgeber Pflichtbeitragszeiten zur Rentenversicherung vom 1. August 1978 bis 31. Dezember 1979 gemeldet wurden. Nach der am 25. September 1980 erfolgten Immatrikulation studierte er vom 1. Oktober 1980 bis 31. März 1983 an der Gesamthochschule bzw. Universität W im Studiengang Sicherheitstechnik, ohne diesen Studiengang dort abzuschließen. Vom 26. September 1980 bis 15. Oktober 1981 war er erneut unter Verzicht auf die Lohnbezüge beurlaubt, bevor er mit Ablauf des 15. Oktober 1981 aus dem Dienst der D ausschied.

Nach Verbüßung einer Haft übte der Kläger vom 1. Februar 1985 bis 31. Januar 1986 eine versicherungspflichtige Beschäftigung aus. Vom 1. Oktober 1985 bis 30. September 1986 war er als Student an der BUniversität - Gesamthochschule W immatrikuliert. Vom 12. Mai 1986 bis 30. September 1986 bezog er Unterhaltsgeld nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG), war vom 1. Oktober 1986 bis 4. November 1987 bei einem Arbeitsamt arbeitslos gemeldet, vom 5. November 1987 bis 30. August 1988 arbeitsunfähig erkrankt bzw. absolvierte eine Gesundheitsmaßnahme und war vom 31. August 1988 bis 30. November 1988 und vom 5. Dezember 1988 bis 29. September 1990 erneut bei einem Arbeitsamt arbeitslos gemeldet. Nach der am 14. September 1990 erfolgten Immatrikulation studierte er vom 1. Oktober 1990 bis 9. März 1995 an der Universität D - Gesamthochschule im Studienfach Wirtschaftswissenschaften, ohne dieses Studienfach dort abzuschließen. Vom 10. März 1995 bis 13. April 1995 war er versicherungspflichtig beschäftigt, wobei Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung der Angestellten gezahlt wurden.

Nach Verlegung seines Wohnsitzes in die Niederlande besuchte der Kläger vom 14. April 1995 bis 29. August 1995 eine weiterbildende Schule zum erfolgreichen Erwerb des Staatsexamens “Niederländisch als Zweitsprache„. Beim niederländischen Versicherungsträger legte er vom 16. Juni 1995 bis 30. November 2000 Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung zurück. Er besuchte außerdem als Teilzeitstudent die Universität von Avom 1. September 1995 bis 28. Februar 1998 und vom 1. September 1998 bis 31. August 1999, wobei er im Fach Wirtschaft eingeschrieben war, und vom 1. ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge