Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Prozesskostenhilfeverfahren. Kosten der Unterkunft. Umzug. Erforderlichkeit. Wohnungsstandard

 

Orientierungssatz

1. Kommt eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Mittellosen ausgehen wird, läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussicht seines Begehrens Prozesskostenhilfe zu verweigern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.06.2003 - 1 BvR 1355/02, NJW-RR 2003, 1216).

2. Es ist nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen, ob ein Grund vorliegt, der einen Umzug erforderlich macht. Die Erforderlichkeit, die nach allgemeiner Auffassung bedeutungsgleich mit der Notwendigkeit des Umzuges iSv § 22 Abs. 3 S 2 SGB II ist, bedarf als unbestimmter Rechtsbegriff der Auslegung. Er besagt nach dem Normzusammenhang zunächst, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige schon auf der Ebene der Aufwendungen für ihre Unterkunft Beschränkungen auch dann hinnehmen müssen, wenn sie einen Wechsel zwischen Wohnungen beabsichtigen, deren Kosten angemessen sind. Dem Hilfebedürftigen wird auferlegt, auf Gestaltungen, die er als Verbesserung seiner Lebensumstände ansieht, zu verzichten und Wünsche zurückzustellen, auch wenn er nicht mehr anstrebt als bei einem bereits bestehenden oder aus zwingenden Gründen neu abzuschließenden Mietvertrag als Leistung nach §§ 19, 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu erbringen ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.12.2006 - L 10 B 1091/06 AS ER).

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 5. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), der das Sozialgericht Berlin nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist nicht begründet. Das Gericht hat den Antrag der Kläger vom 16. März 2006 auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu Recht abgelehnt. Die Kläger haben keinen Anspruch nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 114 Satz 1, 115, 119 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin.

Die Gewährung von Prozesskostenhilfe setzt nach den genannten Vorschriften voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint.

Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (vgl. BVerfGE 81, 347, 357). Die Fachgerichte überschreiten den Entscheidungsspielraum, der ihnen bei der Auslegung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals der hinreichenden Erfolgsaussicht verfassungsrechtlich zukommt, wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den einer unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unverhältnismäßig erschwert wird. Das ist namentlich der Fall, wenn das Fachgericht die Anforderungen an die Erfolgsaussicht überspannt und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlt (vgl. BVerfGE 81, 347, 358).

Kommt insbesondere eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden ausgehen würde, so läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussichten seines Rechtsschutzbegehrens Prozesskostenhilfe zu verweigern (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. zuletzt Beschluss vom 3. Juni 2003, 1 BvR 1355/02, NJW-RR 2003, 1216). Dies muss dazu führen, dass die Erfolgsaussicht eines Rechtsschutzbegehrens dann nicht verneint werden darf, wenn entweder Aufklärungsbedarf in tatsächlicher Hinsicht besteht oder aber schwierige rechtliche Fragen zu klären sind, deren Klärung der Durchführung eines Verfahrens der Hauptsache vorbehalten sein muss.

An diesen Grundsätzen gemessen hat das Rechtsschutzgesuch der Kläger keine hinreichende Aussicht auf Erfolg

Soweit die Kläger mit ihrer Klage sinngemäß begehren, den Beklagten zu verpflichten, ihnen eine Zusicherung nach § 22 Abs. 2 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch SGB II zu den Aufwendungen der von ihnen mit Wirkung zum 1. Januar 2006 angemieteten Wohnung zu erteilen, fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm. Denn hiernach soll der Hilfebedürftige vor Abschluss eines Vertrages eine entsprechende Zusic...

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