Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde. Untätigkeit. Sozialgerichtliches Verfahren: Zulässigkeit der Beschwerde bei Untätigkeit des Sozialgerichts

 

Leitsatz (redaktionell)

Für eine Untätigkeitsbeschwerde existiert keine gesetzliche Grundlage. Eine Untätigkeitsbeschwerde kann auch nicht im Wege richterrechtlicher Rechtsfortbildung geschaffen werden.

 

Orientierungssatz

Eine behauptete Untätigkeit des Sozialgerichts kann nicht mit einer Beschwerde geltend gemacht werden, da eine Beschwerde eine beschwerdefähige Entscheidung voraussetzt.

 

Normenkette

SGG § 172 Abs. 1

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die behauptete Untätigkeit des Sozialgerichts Berlin wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin vom 28. Juli 2011 gegen die von ihr behauptete Untätigkeit des Sozialgerichts Berlin auf ihre am 4. Mai 2011 erhobene Klage ist als unzulässig zu verwerfen.

Gem. § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) findet die Beschwerde gegen Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte an das Landessozialgericht statt, soweit nicht im SGG anderes bestimmt ist. Eine in diesem Sinne beschwerdefähige Entscheidung liegt nicht vor, denn die bloße Untätigkeit eines Sozialgerichts kann nicht Gegenstand einer Beschwerde nach § 172 SGG sein. Für die erhobene Untätigkeitsbeschwerde existiert keine gesetzliche Grundlage.

Eine Untätigkeitsbeschwerde kann auch nicht im Wege richterrechtlicher Rechtsfortbildung geschaffen werden, denn eine solche Schaffung eines außerordentlichen Rechtsbehelfs außerhalb des geschriebenen Rechts verstieße gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit (vgl. LSG München, Beschluss vom 13. April 2010, L 19 R 184/10 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Juli 2008, L 3 B 869/08 R, jeweils zitiert nach Juris) und wäre darüber hinaus nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte kein wirksamer Rechtsbehelf gegen eine überlange Verfahrensdauer (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 8. Juni 2006, NJW 2006, 2389).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2755805

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