Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. fehlende Statthaftigkeit der Beschwerde. ablehnender PKH-Beschluss. Bedürftigkeit. persönliche und wirtschaftliche Voraussetzungen. mangelnde Prüfgrundlage. falsch ausgefüllter Vordruck

 

Leitsatz (amtlich)

Die Beschwerde gegen einen Beschluss, mit dem der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen eines falsch ausgefüllten amtlichen Vordrucks zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgelehnt wird, ist nach § 172 Abs 3 Nr 2 SGG in der seit dem 1.4.2008 geltenden Fassung nicht statthaft.

 

Orientierungssatz

Dass das Sozialgericht mit dem angegriffenen Beschluss in grober Weise den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt haben dürfte, ändert an der fehlenden Statthaftigkeit der Beschwerde nichts. Unabhängig davon, dass ihr in derartigen Fällen die Anhörungsrüge (§ 178a SGG) offen steht, ist es der Rechtsprechung verwehrt, durch außerordentliche Rechtsbehelfe tatsächliche oder vermeintliche Lücken im bestehenden Rechtsschutzsystem zu schließen.

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. Oktober 2008 wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht statthaft ist. Gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Eine “Verneinung der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen„ liegt nicht nur vor, wenn eine Prüfung die fehlende Bedürftigkeit ergibt, sondern auch, wenn eine Prüfung “mangels geeigneter Prüfgrundlage„ nicht möglich ist, weil nach Auffassung des Sozialgerichts der nach § 73 a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 117 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 und 4 der Zivilprozessordnung - ZPO - erforderliche Vordruck nicht vorgelegt oder fehlerhaft aufgefüllt worden ist.

§ 114 Abs. 1 ZPO verlangt für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Erfüllung zweier Voraussetzungen, nämlich die Bedürftigkeit des Antragstellers nach dessen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen sowie die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung. In diesem zweigeteilten System gehören die Regelungen zu den Formerfordernissen ebenso wie die Regelungen über den Einsatz von Einkommen und Vermögen (§ 115 ZPO) oder die Festsetzung von Raten (§ 120 ZPO) zu dem Teil, der die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse betrifft. Nach der Gesetzesbegründung zu § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG soll die Ablehnung von Prozesskostenhilfe jedoch nur mit der Beschwerde angefochten werden können, wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache vom Gericht verneint wurden (vgl. BT-Drucksache 16/7716 S. 22 zu Nr. 29). Demgemäß betrifft der Beschwerdeausschluss auch die Festsetzung von Ratenzahlungen (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 172 Rdnr. 6 h; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Dezember 2008 - L 8 B 365/08 AL; Sächsisches Landessozialgericht, Beschlüsse vom 18. August 2008 - L 2 B 411/08 AS-PKH und 30. Oktober 2008 - L 3 B 508/08 AL-PKH; a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Juni 2008 - L 19 B 851/08 AS) sowie den Fall, dass das Sozialgericht meint, wegen einer fehlerhaften Erklärung die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht prüfen zu können (ebenso bei fehlendem Vordruck Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22. Juli 2008 - L 3 B 407/08 AS-PKH), zumal sich anderenfalls ein Antragsteller durch Nichteinreichen oder Vorlage unvollständiger Unterlagen Zugang zur Beschwerdeinstanz eröffnen könnte.

Dass das Sozialgericht mit dem angegriffenen Beschluss in grober Weise den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt haben dürfte, ändert an der fehlenden Statthaftigkeit der Beschwerde nichts. Unabhängig davon, dass ihr in derartigen Fällen die Anhörungsrüge (§ 178 a SGG) offen steht, ist es der Rechtsprechung verwehrt, durch außerordentliche Rechtsbehelfe tatsächliche oder vermeintliche Lücken im bestehenden Rechtsschutzsystem zu schließen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 16. Januar 2007 - 1 BvR 2803/06).

Allerdings sei vorsorglich darauf hingewiesen, dass es der Klägerin freisteht, jederzeit einen erneuten Antrag auf Prozesskostenhilfe unter Vorlage eines ordnungsgemäß ausgefüllten Vordrucks zu stellen. Da Prozesskostenhilfe ohnehin erst ab Bewilligungsreife, also nach Vorliegen der zur Prüfung erforderlichen Unterlagen, zu gewähren ist, kann durch den Neuantrag in der Regel dasselbe Ergebnis erzielt werden wie bei einer nachträglichen Vervollständigung der Unterlagen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2129594

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