Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtvorlage der Berufungsbegründung. Betreibensaufforderung. Berufungsrücknahmefiktion

 

Orientierungssatz

Zur Fiktion der Berufungsrücknahme, wenn trotz Betreibensaufforderung innerhalb der gesetzten Frist die Berufungsbegründung nicht vorgelegt wird.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 08.12.2020; Aktenzeichen B 4 AS 280/20 B)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 1. August 2012 gilt als zurückgenommen.

Die Beteiligten haben einander für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) für die Zeit vom 1. September 2009 bis zum 28. Februar 2010.

Die 1960 geborene Klägerin zu 1) und der 1959 geborene Kläger zu 2) sind verheiratet. Sie sind die Eltern des 1991 geborenen Klägers zu 3). Die Klägerin zu 1) ist die Eigentümerin des von den Klägern im streitigen Zeitraum bewohnten Hausgrundstückes in G (Bl. 38 ff. Bd. I der Leistungsakten (LA)). Die Kläger bezogen seit dem 1. Januar 2005 als Bedarfsgemeinschaft laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Bl. 64-65 Bd. I LA). Die Steuerung der Heizungsanlage des Hauses wurde mit Strom betrieben. Ein Hauskredit war im streitigen Zeitraum noch nicht beglichen. Am 30. September 2009 war eine Tilgungsrate in Höhe von 365,62 EUR und am 31. Dezember 2009 eine weitere in Höhe von 369,83 EUR fällig (Bl. I22 Bd. IV LA). Während die Klägerin zu 1) kein Erwerbseinkommen erzielte, nahm der Kläger zu 2) am 15. Januar 2010 eine Tätigkeit als Produktionsarbeiter in einer Kelterei auf, für die ein im jeweiligen Folgemonat auszuzahlender Bruttolohn in Höhe von 1.240,00 EUR vereinbart wurde (Bl. J121-J122 Bd. V LA). Im Februar 2010 erhielt der Kläger zu 2) einen Nettolohn von 515,95 EUR (Bl. K19 Bd. VI LA). Im selben Monat wurden auch 254,50 EUR durch die Vermietung eines Zimmers in dem Haus der Kläger erzielt (Bl. K8a-K8b Bd. VI LA). Der Kläger zu 3) absolvierte ab dem 1. August 2009 eine Ausbildung zum Bäcker in Sollschwitz, wofür er eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 345,00 EUR (Bl. J6 Bd. V LA) und Berufsausbildungsbeihilfe in wechselnder Höhe erhielt, wobei hinsichtlich der einzelnen Beträge auf Bl. 88 der Gerichtsakten (GA) verwiesen wird. Zudem wurde für ihn bis zum 31. Dezember 2009 Kindergeld in Höhe von 164,00 EUR und ab dem 1. Januar 2010 in Höhe von 184,00 EUR gezahlt.

Auf den Weiterbewilligungsantrag der Kläger gewährte der Beklagte den Klägern zu 1) und 2) mit einem Bescheid vom 13. August 2009 (Bl. J23-J30 Bd. V LA) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2009 (Bl. J 51-J 68 Bd. V LA) und des Änderungsbescheides vom 8. Dezember 2009 (Bl. J89-J99 Bd. V LA) laufende Leistungen für die Zeit vom 1. September 2009 bis zum 28. Februar 2010. Hierbei wurde der Antrag des Klägers zu 3) mit der Begründung abgelehnt, dass er als Auszubildender von den Leistungen ausgeschlossen sei.

Die Kläger haben am 9. Dezember 2009 beim Sozialgericht Cottbus Klage erhoben. Der Beklagte hat den Klägern zu 1) und 2) mit Änderungsbescheiden vom 28. Januar 2010 (Bl. J118-J120 Bd. V LA) und 15. März 2010 (Bl. K54-K56, K 57-K59 Bd. VI LA) für die Monate Januar und Februar 2010 höhere Leistungen gewährt, indem er bei den Bedarfen für Unterkunft und Heizung höhere Schuldzinsen, Nebenkosten und Reparaturrechnungen berücksichtigt hat. Die Tilgungsraten für den Hauskredit und die Stromkosten für den Betrieb der Heizungsanlage sind nicht in die Berechnung eingestellt worden.

In der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts vom 1. August 2012 haben die Kläger geltend gemacht, dass auch die Tilgungsraten und die Stromkosten der Heizungsanlage als Bedarf für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen seien. Für den Kläger zu 3) ist vorgetragen worden, dass auch er einen Leistungsanspruch habe. Die praktische Ausbildung sei immer von Montag bis Mittwoch in der Bäckerei erfolgt. Hierzu sei für ihn am Arbeitsort eigens ein Zimmer angemietet worden. Die Berufsschule habe er von Donnerstag bis Freitag besucht. Von seinem Einkommen seien die Fahrtkosten und die Zimmermiete abzuziehen.

Das Sozialgericht hat der Klage mit einem Urteil vom 1. August 2012 teilweise stattgegeben. Die Kläger zu 1) und 2) hätten für die Zeit vom 1. September 2009 bis zum 31. Januar 2010 einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Kläger zu 3) könne diese ebenfalls beanspruchen. Auf der Bedarfsseite hat das Sozialgericht die gesetzlichen Regelleistungen sowie die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung mit Ausnahme der Tilgungsleistungen und der Stromkosten für den Betrieb der Heizungsanlage berücksichtigt und erzieltes Einkommen angerechnet. Der Kläger zu 3) sei im Wege der gesetzlichen Rückausnahme nicht von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen, weil er bei seinen Eltern wohne und daher...

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