Entscheidungsstichwort (Thema)

Misstrauen an der Unvoreingenommenheit des Gerichts bei gesetzlicher Hinweispflicht. Kostenminderungspflicht versus Gebühreninteresse des Rechtsanwalts. Grundsatz der Erstattungsfähigkeit anwaltlicher Kosten bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten

 

Orientierungssatz

1. Hinweise, zu denen der Kammervorsitzende gesetzlich verpflichtet ist, können ein Misstrauen an der Unvoreingenommenheit des Richters nicht begründen.

2. Da jeder Beteiligte gehalten ist, die Kosten einer Prozessführung so niedrig wie möglich zu halten, darf die Fortsetzung eines Gerichtsverfahrens und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht allein zum Zwecke der Maximierung des Honorars des Prozessbevollmächtigten erfolgen.

3. Dies gilt auch in Fällen bestehender Kostenerstattungspflicht Dritter.

4. Der Grundsatz der Erstattungsfähigkeit anwaltlicher Kosten gilt nicht uneingeschränkt. Fälle, in denen keine Erstattung stattfindet, sind solche überwiegend mit der Formel, die anwaltliche Vertretung müsse offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan sein, dem Prozessgegner Kosten zu verursachen. Diese Ansicht beruht auf dem Vorwurf eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 07. Februar 2001 - 3 K 17/00, NVwZ-RR 2001, 613.

 

Tenor

Das Gesuch der Klägerin, den Richter am Sozialgericht W wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Klägerin hat am 1. August 2011 in der Hauptsache Untätigkeitsklage gegen die Beklagte mit dem Begehren erhoben, ihren Widerspruch gegen die Festsetzung von Mahngebühren i.H.v. 0,77 € vom 17. Oktober 2010 zu entscheiden. Die Beklagte hat in insgesamt vier Einziehungsverfahren ihre Entscheidungen vom 17. Oktober 2010 über die Festsetzung der Mahngebühren in Höhe von jeweils 0,77 € aufgehoben und sich bereit erklärt, die notwendigen Kosten in dem Widerspruchsverfahren auf Antrag zu erstatten.

Mit Schriftsatz vom 4. August 2011 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Gericht mitgeteilt:

“…stelle ich, nachdem die Beklagte dem Begehren nunmehr entsprochen hat, für den Termin zur mündlichen Verhandlung die Hauptsacheerledigungserklärung in Aussichten werde dann beantragen zu entscheiden, dass die Beklagte die notwendigen Kosten des Verfahrens zu erstatten hat.

Die derzeit von der “Kostenkammer„ des Sozialgerichts Cottbus vertretene Auffassung, nach der bei einer Untätigkeitsklage keine Terminsgebühr entsteht, lässt eine andere Verfahrensweise leider nicht zu…„

Mit Schreiben vom 7. September 2011 teilte daraufhin der Richter W als Vorsitzender der 25. Kammer des Sozialgerichts Cottbus dem Prozessbevollmächtigten mit:

“Bezug nehmend auf den dortigen Schriftsatz vom 4. August 2011 sieht das Gericht keine Veranlassung, eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Da die Beklagte dem Klagebegehren entsprochen hat, gibt es nichts mehr zu “verhandeln„. Denn mit der Erfüllung des Klagebegehrens ist das Rechtsschutzinteresse entfallen, so dass nunmehr die Klage unzulässig geworden ist. Außerdem ist auf § 88 Abs. 1 S. 3 SGG hinzuweisen, so dass für erledigt zu erklären ist, siehe auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 9. Auflage 2008, § 88 Rz. 11-12a.

Aus den vorgenannten Gründen ist die Fortsetzung des Verfahrens missbräuchlich im Sinne von § 192 Abs. 1 S. 2 SGG. Es wird damit auf die Auferlegung von Verschuldenskosten aus oben genannten Gründen hingewiesen, die 150 € nicht unterschreiten und die letztlich vom Kläger zu tragen wären.

Sollte der Rechtsstreit gleichwohl fortgesetzt werden, würde das Gericht über die Klage schriftlich ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Voraussetzung hierfür ist, dass der Rechtsstreit nach Auffassung des Gerichts keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Da aber dann die Klage keine Aussicht auf Erfolg hat, würde sich gegebenenfalls die Kostenentscheidung auch danach ausrichten können. Es wird daher um Stellungnahme innerhalb von drei Wochen gebeten.„

Daraufhin stellte der Prozessbevollmächtigte gegen Richter W Strafanzeige (wegen Nötigung im Amt) und unter Hinweis auf diese Strafanzeige Befangenheitsantrag, ohne diesen weiter zu begründen.

Der zulässige Befangenheitsantrag ist unbegründet.

Für die Ausschließung und Ablehnung eines Richters gelten nach § 60 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) im sozialgerichtlichen Verfahren die §§ 41 bis 44, 45 Abs. 2 Satz 2, 47 bis 49 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Nach § 60 SGG i.V.m. § 42 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist nur dann der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Das Misstraue...

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