Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Auszubildende. Ausbildungsförderung. Nichtgeltung für Teilnehmer an Weiterbildungen nach §§ 77ff SGB 3

 

Orientierungssatz

Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 S 1 SGB 2 gilt nicht für Teilnehmer an Weiterbildungsmaßnahmen, die nach §§ 77ff SGB 3 förderungsfähig sind.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II.

Die 1963 geborene Antragstellerin stammt aus Kasachstan. Dort erwarb sie im Jahre 1996 an der technischen Fachschule für Gaswirtschaft die Qualifikation einer “Technikerin - Mechanikerin". Auf ihre Aussiedlung nach Deutschland hin war die Antragstellerin arbeitslos. Sie unterzieht sich seit dem 28. Juni 2004 einer Ausbildung zur staatlich anerkannten Altenpflegerin, womit sie vollzeitig (37,5 Stunden je Woche) beschäftigt ist. Die dreijährige Ausbildung erfolgt beim Institut für angewandte Gerontologie, einer staatlich anerkannten Schule in freier Trägerschaft. Die Weiterbildungskosten in Form eines Schulgeldes in Höhe von insgesamt 6.237,-- Euro werden finanziert durch einen Bildungsgutschein der Agentur für Arbeit B. S. nach § 77 Abs. 3 SGB III. Von der Agentur für Arbeit erhielt bzw. erhält die Antragstellerin keine Leistungen zur Bestreitung des Lebensunterhalts, weder Unterhaltsgeld nach § 153 SGB III a.F. noch Arbeitslosengeld nach § 117 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, weil sie die Vorbeschäftigungs- bzw. Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat. Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhält die Antragstellerin ebenfalls nicht; mit Bescheid des Bezirksamtes C.-W. von B. vom 8. November 2004 wurden diese abgelehnt, weil die Antragstellerin bereits das 30. Lebensjahr vollendet hat (§ 10 Abs. 3 BAföG).

Die Antragstellerin lebt in einem Haushalt mit ihrem Ehemann W und ihrer im März 1986 geborenen Tochter A, die in Ausbildung als Friseurin steht. Bis Ende des Jahres 2004 bezog die Familie Sozialhilfe. Im Monat September 2004 etwa betrug die vom Sozialamt N. ausgezahlte Leistung an die Antragstellerin 797,69 Euro (Sozialhilfe, Mietzuschuss, Bekleidungsbeihilfe). Die Familie bewohnt eine 76,79 qm große Zweieinhalbzimmerwohnung, für die Mietkosten in Höhe von 343,05 Euro, Betriebskosten in Höhe von 173,20 Euro, sowie Heizungs- und Warmwasserkosten in Höhe von 30,57 Euro monatlich anfallen.

Am 13. September 2004 beantragte der Ehemann der Antragstellerin für sich und seine Ehefrau Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab 1. Januar 2005. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2004 bewilligte das JobCenter N. für die aus der Antragstellerin und ihrem Ehemann bestehende Bedarfsgemeinschaft ab 1. Januar 2005 monatliche Leistungen in Höhe von insgesamt 363,68 Euro. In die Berechnung wurde ein Gesamtbedarf in Höhe von 487,68 Euro eingestellt, die vollständig auf den Ehemann der Antragstellerin entfielen, während bei der Antragstellerin ohne jede Begründung von keinem eigenen Bedarf ausgegangen wurde. Der auf den Ehemann entfallende Bedarf wurde mit 311 Euro angesetzt zuzüglich 176,68 Euro für Unterkunft und Heizung. Hiervon wurden wiederum 124 Euro als anzurechnendes Einkommen (Kindergeld) abgesetzt, so dass sich für die Bedarfsgemeinschaft ein monatlicher Zahlbetrag von 363,68 Euro ergab.

Am 5. Januar 2005 erhob der Ehemann der Antragstellerin, der auch alleiniger Adressat des Bescheides vom 22. Dezember 2004 gewesen war, Widerspruch und brachte vor, für seine Ehefrau müsse Bedarf angerechnet werden, da sie kein Einkommen habe und bedürftig sei. Bei der Agentur für Arbeit habe man die Auffassung vertreten, dass seine Ehefrau Anspruch auf Arbeitslosengeld II habe. Dieser Widerspruch ist, soweit ersichtlich, noch nicht beschieden. In einem nach Aktenlage unbeantwortet gebliebenem Schreiben des JobCenters N. an die Agentur für Arbeit B. S. wurde die Auffassung vertreten, dass das Arbeitslosengeld II an die Antragstellerin wegen der in § 7 Abs. 5 SGB II enthaltenen Regelung nur darlehensweise gewährt werden könne; die Agentur wurde um Mitteilung gebeten, ob § 7 Abs. 5 SGB II im Falle der Antragstellerin einschlägig sei.

Am 18. März 2005 hat die Antragstellerin um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Sie begehrt die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihr umgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren. Man habe ihr im JobCenter mitgeteilt, dass die Bearbeitung des Widerspruchs sechs bis zwölf Monate dauere. Sie verfüge über keine eigenen Mittel. Die vom Ehemann bezogenen Leistungen nach dem SGB II reichten nicht für beide aus. Im Rahmen ihrer Weiterbildung erhalte sie keine Vergütung. Es bedeute eine Härte im Sinne von § 7 Abs. 5 SGB II, wenn sie ihre Ausbildung abbrechen müsse, um Geld für Essen und Miete zu haben und wieder krankenversichert zu sein. Bei Aufnahme der Ausbildung sei für sie nicht erkennbar gewesen, dass ihr nach der Gesetzesänderung keine Leistungen...

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