Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende für Strafgefangene

 

Orientierungssatz

1. Durch die Unterbringung des Strafgefangenen in einer Justizvollzugsanstalt ist dessen elementarer Wohn- und Ernährungsbedarf gesichert. Deshalb fehlt es am erforderlichen Anordnungsgrund für die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch einstweiligen Rechtsschutz.

2. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB 2 für in einer stationären Einrichtung Untergebrachte gilt auch für Gefangene in einer Justizvollzugsanstalt, wenn der Aufenthalt dort länger als sechs Monate dauert. Daran ändern Lockerungen des Vollzugs nichts.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2006 aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Verfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im einstweiligen Anordnungsverfahren die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II -.

Der Antragsteller bezog bis 11. März 2005 Arbeitslosengeld und sodann Arbeitslosengeld II.

Am 16. September 2005 wurde er in Strafhaft genommen (voraussichtliches Haftende 15. März 2007). Er geht außerhalb der Anstalt einer entgeltlichen Beschäftigung nach. Monatlich verfügt er nach eigenen Angaben über ca. 165,- Euro (Hausgeld und Eigengeld) zu seiner Verwendung. Über den Haftantritt wurde der Antragsgegner von der Justizvollzugsanstalt - JVA - mit Zustimmung des Antragstellers am 08. November 2005 in Kenntnis gesetzt (in der Mitteilung wurde als Haftende irrtümlich der 15. März 2006 genannt). Daraufhin teilte der Antragsgegner, der zuvor Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (in Höhe von 528,85 Euro bis Februar 2006 sodann 477,85 Euro) bis einschließlich März 2006 bewilligt hatte, mit (Bescheid vom 12. Dezember 2005), die Regelleistung entfalle für die Zeit vom 01. Oktober 2005 bis voraussichtlich März 2006. Dennoch wurden im Folgenden Leistungen bis einschließlich Februar 2006 in voller Höhe erbracht. Mit Bescheid vom 20. März 2006 hob der Antragsgegner nach vorheriger Anhörung die Bewilligung von Arbeitslosengeld II vom 17. September 2005 an wegen der Inhaftierung auf.

Am 10. Januar 2006 teilte der Antragsteller mit, er sei mit seiner Lebensgefährtin zusammen- gezogen. Mit einem weiteren Schreiben (bei dem Antragsgegner eingegangen am 09. März 2006) stellte er einen Fortzahlungsantrag und teilte gleichzeitig mit, er habe die gemeinschaftliche Wohnung aus Trennungsgründen zum 28. Februar 2006 verlassen müssen. Zum 01. März 2006 habe er mit A A einen Untermietvertrag über ein möbliertes Zimmer (Warmmiete inkl. Nebenkosten 295,- Euro) geschlossen.

Über den Fortzahlungsantrag hat der Antragsgegner nach Aktenlage noch keine Entscheidung getroffen.

Am 07. April 2006 hat der Antragsteller beim Sozialgericht um vorläufigen Rechtschutz nachgesucht und geltend gemacht, er sei im Sinne der Bestimmungen des SGB II bedürftig, da er allein durch die ihm zur Verfügung stehenden Mittel sein Existenzminimum nicht sichern könne. Durch die Unterbringung und die Versorgung mit Nahrungsmitteln in der Haftanstalt sei lediglich ein Teil seines Bedarfs - und der auch nur anteilig - abgedeckt. Zudem sei die Leistungsgewährung schon deshalb für ihn von großer Bedeutung, weil er nur dann Anspruch auf einen Vermittlungsgutschein habe, ohne den die Erlangung eines Arbeitsplatzes noch schwerer sei. Er verbringe einen großen Teil seiner Zeit außerhalb der JVA in seiner Wohnung. Deren Verlust drohe ihm, da er aus eigenen Mitteln die Miete nicht zahlen könne. § 7 Abs. 4 SGB II stehe einem Leistungsanspruch nicht entgegen, weil er dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe.

Das Sozialgericht hat den Antragsgegner vorläufig verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 369,26 Euro vom 01. April bis längstens 31. August 2006 zu gewähren.

Zur Begründung der Entscheidung hat das Sozialgericht ausgeführt, der Antragsteller habe sowohl das Vorliegen eines Anordnungsgrundes als auch eines Anordnungsanspruchs glaubhaft gemacht. § 7 Abs. 4 SGB II finde keine Anwendung (Hinweis auf Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 02. Februar 2006 - L 14 B 1307/05 AS ER -). Es bestehe Anspruch auf den Regelbedarf (345,- Euro) sowie auf Übernahme der Kosten der Unterkunft (295,- Euro). Davon in Abzug zu bringen seien die voraussichtlichen monatlichen Einkünfte in Höhe von 250,- Euro, bereinigt um einen Freibetrag in Höhe von 100,- Euro sowie einen Betrag in Höhe von 120,75 Euro für die ihm von der JVA gewährte Verpflegung. Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes ergebe sich unmittelbar aus der existenzsichernden Natur der begehrten Leistungen (Hinweis auf Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -).

Gegen den ihm am 25. April 2006...

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